1867 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: ,
- Hrsg.: Runkwitz, Karl
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
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Unterthan. Es muß jedoch ein sanftes Regiment sein, das sie, ausübt; die
Wasser im Westkreise können es kaum erwarten, zur Saale zu kommen,
raschen Laufes eilen sie durch die tiefen Thäler und zanken dabei auf jeden
Stein und aus jede Mühle, welche sie aufhält.
Wer viel ißt, wird groß und dick. Daher ist es denn kein Wunder,
daß die Saale schon im Westkreise ein gar stattlicher Fluß ist. Zwischen
ihren weiten Ufern fließen gewaltige Wassermassen dahin. An ihrer Frische
und Klarheit, an ihrem schnellen Laufe merkt man, daß die Saale hier noch
in ihrer Jugendzeit steht, noch nicht verdrossenen und trüben Angesichtes von
wegen der vielen und schweren Arbeiten, zu denen sie später gezwungen wird,
noch nicht müde vom langen Wege. Vom Leuchtenburger Berge aus gewährt
das breite Silberband in seinen vielen Windungen das Thal herab einen
. wunderschönen Anblick, zumal wenn die Abendsonne die Fluthen purpurroth
färbt oder gar in lauer Sommernacht der Vollmond in tausend Lichtern auf
den Wellen tanzt.
So kurz der Weg ist, welchen die Saale durch unser Land nimmt, so
groß ist der Segen, welchen sie auf ihrem Wege austheilt. Die Anwohner
danken ihren Anschwemmungen die weiten Äcker und Wiesen , welche sich an
den Usern hinziehen, und ihrer Bewässerung die große Fruchtbarkeit, durch
welche sich das Saalthal auszeichnet. Den Fischern gibt sie das tägliche
Brot, und die Flößer brauchen sie im Frühlinge als Post und Eisenbahn;
Müllern und Fabrikanten dient sie als Geselle, Handlanger oder Tagelöhner.
Selbst ihre Überschwemmungen sehen die Leute nicht ungern, wenn sie nicht
zu gewaltig sind, und wenn sie Ausgang Winters kommen; gewöhnlich folgt
ihnen eine reiche Ernte. Manchmal freilich richten ihre Fluthen namentlich
bei großen Eisgängen und nach heftigen Gewittergüssen an Brücken, Häusern
und Feldern außerordentlichen Schaden an. Am schlimmsten haben es in
solchen Fällen die Einwohner des auf einer Insel zwischen Saale und Mühl-
graben gelegenen Dorfes Kleinkrosse u. Ihnen ist das Wasser mehr als
einmal zu den Fenstern hineingestiegen, und während Stühle und Tische,
Betten und Wiegen in der Stube umherschwammen, haben sie auf dem Bo-
den, ja einige Male gar aus dem Ofen angstvolle halbe Stunden zubringen
müssen, ehe aus der Nachbarschaft Hülfe kam.
287. Orlamünda.
Die westlichste Stadt unseres Landes ist Orlamünda. Sie liegt
auf dem linken Ufer der Saale da, wo diese aus dem Gebirge in das
Thal tritt, nicht weit von der Stelle, wo die Orla mündet. Weit und
breit kannst du in den deutschen Landen uncherwandern, ehe du wieder
eine Stadt von so schöner Lage findest. Mit Recht hat man sie dem
Neste eines Adlers verglichen, der auf scheinbar^ unzugänglicher Klippe
wohnt. Kirchthurm auf Kirchthurm müßtest du setzen, wolltest du vorn
Spiegel der rauschenden Saale in gerader Linie den Gipfel des roth-
und weißgestreiften Felsens erreichen, auf welchem die Stadt gelegen ist.
Unvergleichlich schön ist die Aussicht, welche vom Himmelsgarten aus vor
unseren Augen sich aufthut. Zu unseren Füßen haben wir eine frucht-
bare Aue, welche durch die Saale und ihre Zuflüsse Leben und besonderen
Reiz erhält. Zur Linken fesselt die Leuchtenburg auf stolzer Höhe unsere
Blicke, und Bild drängt sich in stetem Wechsel an Bild auf den Wald-
höhen, welche die Fernsicht begränzen. Das ist ein Land hier fast so
lustig wie Frankreich, sagte Kaiser Karl V. zu seinem Stallmeister, einem