1870 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: Runkwitz, Karl
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
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71. Schulgang.
„O du liebes Einmaleins, Hätt' ich dich im Köpfchen,
Wie mein Turteltäubelein Körnchen hat im Kröpfchen!"
„Aus dem schönen Bibelbuch Ich viel leichter lerne,
Wär' es auch der schwerste Spruch; Zahlen — gar nicht gerne!"
„Einmaleins und zweimalzwei — Ach die bösen Zahlen!
Bringen manchem guten Kind Sorgen, Thränen, Qualen "
„Auf der Rechnentafel läßt Sich doch etwas malen;
Aber Zahlen in den Kopf — Ach die schlimmen Zahlen!"
72. Wie man sich verrechnen kann.
Seltsam erging es einem Fürsten, der sein Leibpferd beschlagen
ließ und den Hufschmidt nach dem Preise seiner Arbeit fragte.
„Es sind zum Beschlagen des Pferdes," sagte der Schmidt, „gerade
32 Nägel erforderlich gewesen. Befiehl deinem Schatzmeister, daß
er mir für den ersten Nagel 1 Pfennig, für den zweiten 2, für den
dritten 4, für den vierten 8 und für jeden folgenden noch einmal
so viel, als für den vorhergehenden gebe." Wie ist dieser Mensch
doch so wunderlich, dachte der Fürst bei sich selber; das wird höch-
stens einen Thaler austragen, und ich hätte ihm, weil es mein
Leibpferd ist, unbedenklich 100 Dukaten gegeben. „Besinne dich eines
Bessern," sagte er endlich zu dem Hufschmidt, „ich will deine Arbeit
nicht wie ein gemeiner Bürger, sondern wie ein Fürst bezahlen."
Weil aber der Mann auf seiner Forderung beharrte, so gab der
Fürst den Befehl, ihm zu zahlen, was er verlangt hatte. „Da muß
man erst noch eine Pfennigrechnung anstellen," sagte der Schatz-
meister und fing an, die Summe zu berechnen. Aber wie erschrak
er, als er fand, daß der letzte Nagel nicht weniger, als 2,147,483,648
Pfennige, das ist beinahe 7 Millionen Thaler kostete. Ich weiß
nicht, ob der Fürst die ungeheure Summe bezahlt hat.
Sinnreicher aber endet eine ähnliche Erzählung von einem Fürsten
im Morgenlande. Sein Vezir, sein erster Beamter und Feldherr,
hatte das Schachspiel .erfunden. Dies Spiel stellt zwei mit einander
kämpfende Heere vor. Das Schlachtfeld ist ein in 64 Felder ge-
theiltes Viereck. Das Spiel gefiel dem Fürsten so wohl, daß er
dem Erfinder frei stellte, sich eine Belohnung zu erbitten, und als
dieser für das erste Feld 1 Weizenkorn, für das zweite 2, für das
dritte 4, für das vierte 8 und so fort für jedes Feld die doppelte
Anzahl Körner verlangte, wurde der Fürst beinahe unwillig, daß
der Mann seine Gnade verachte und sich höchstens einige Scheffel
Weizen erbitte, wo er 100 Goldstücke und noch mehr hätte fordern
können. Aber als der Schatzmeister die Anzahl der Weizenkörner
berechnete und einen Ueberschlag machte, wieviel Scheffel Weizen
das austragen sollte, da ergab sich, daß so viel Weizen, als dem
Manne versprochen war, auf der ganzen Erde nicht vorhanden
wäre und auch nicht in einem Jahre gebaut werden könnte, wenn