1870 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: Runkwitz, Karl
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
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Weil die Mäuse gewöhnlich nur des Nachts aus ihren Schlupf-
winkeln hervorkommen, so sind die Augen der Katzen so eingerichtet,
daß sie auch bei Nacht sehen können. Soll eine Katze im Finstern
eine Maus fangen, so braucht man ihr nicht zu leuchten; sie hat ihr
Licht in den Augen. Weniger zum Mäusefangen, als um ihre Launen
damit auszudrücken, braucht die Katze ihren Schwanz. Streichelt man
sie, und sie will sich freundlich erweisen, so streckt sie den Schwanz in
die Höhe, schnurrt und buckelt dazu ganz wohlgefällig. Neckt man sie,
und sie will ihren Unwillen darüber ausdrücken, so schlägt sie mit dem
Schwänze auf und nieder, braucht wohl auch ihre Krallen. Lauert sie
auf eine Maus, so läßt sie den Schwanz sinken und hält ihn unbe-
weglich. Beim Fallen dient der Schwanz dem Thiere wesentlich, dem
Körper eine wagerechte Stellung und das Gleichgewicht zu geben. Selten
wird sich eine Katze zu Tode fallen. Sie kommt meist auf die Füße
zu stehen, selbst wenn sie vom höchsten Dache stürzt.
Die Katzen miauen nicht blos, sondern sie schreien und heulen oft
so jämmerlich, wie kleine Kinder. Solcherlei Katzenmusik hört man
mit Verwunderung. Sie führen aber ihre Concerte am liebsten an
ganz einsamen Orten, auf den Böden und Dächern der Häuser auf.
Dabei kratzen und beißen sie einander, daß die Haare davon fliegen.
Die Katze ist für uns ein nothwendiges Hausthier. Hätten wir
keine Katze, so würden uns die Mäuse und Ratten Tag und Nacht
beunruhigen; wir würden weder ruhig schlafen, noch ruhig essen können.
Doch ist nicht jede Katze ein ausgemachter Mäusefänger. Diejenigen,
welche in der Jugend am eifrigsten spielen und buckeln, sollen auch die
eifrigsten Mäusevertilger werden. Nun sieht es zwar Jedermann gerne,
wenn sie in ihrem Geschäfte eifrig sind, aber das sieht Niemand gerne,
daß sie mit den gefangenen Mäusen erst noch lange Zeit spielen, ehe
sie dieselben umbringen und auffressen. Sie lassen eine gefangene Maus
laufen, fangen sie wieder und lassen sie wieder laufen, bis sich endlich
das arme Mäuslein vor Todesangst nicht mehr rühren kann. Daran
sieht man die heimtückische und boshafte Katzennatur recht, deren Mord-
lust nicht befriedigt ist, wenn sie die gefangene Maus nicht erst mar-
tern und quälen kann. Kinder, welche einem Käfer die Beine oder
die Flügel ausreißen und ihn so allmählig umbringen, haben auch eine
so bösartige Katzennatur.
Die Jungen der Katzen sind 9 Tage blind und werden von der
Mutter in diesem hülflosen Zustande sorgfältig gewartet und gepflegt.
Ist der Ort, wo sie ihre Jungen hat, nicht mehr sicher, so trägt sie
dieselben im Maule an einen andern und vertheidigt sie tapfer gegen
Hunde und andere Raubthiere.
Jedermann kennt die Katze als ein schmeichelndes, reinlich glattes,
aber falsches und diebisches Thier, das sich beständig putzt und leckt,
behaglich im Sonnenscheine sich zusammenrollt und jenes einschläfernde
Schnurren hören läßt, welches so gemüthlich anklingt. Ihre leisen
Bewegungen, ihr sauberes zierliches Wesen haben sie zu einem Günst-
linge der Frauen gemacht. Sie sind mehr anschmiegend, als treu, be-
weisen aber in einzelnen Fällen aufopfernde Anhänglichkeit. Auf der