1870 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: Runkwitz, Karl
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
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Entsetzens vor den Deutschen und glaubte mit jedem Tage, sie kämen
in ungeheuern Heerschaaren, wie einst die Cimbern und Teutonen, gen
Welschland heran. Im Lande Gallien und am Rheine ward zur
Nothwehr gerüstet. Grundlose Furcht! Nicht an Eroberung dachten
die Sieger, die theure Freiheit erkämpft zu haben, war ihnen genug.
Stolz legten sie die Hände in den Schoß, als sie die Zwingburgen
im Lande gebrochen hatten, als an dem Rheine kein Römer mehr
zu schauen war.
221. Die ältesten Bewohner unseres Landes.
Um die Zeit, als unser Heiland geboren wurde, sah es in
unserem Lande ganz anders aus, als heute. Wo jetzt in den
Thälern der Orla und Saale, der Sprotte und Pleiße üppige Wiesen
sich hinziehen, breiteten sich damals weite Sümpfe und Moräste aus.
Die höher gelegenen Striche, in unseren Tagen fruchtbare Getreide-
felder, waren von dichten Waldungen bedeckt. In unserem Ost-
kreise zogen sich nach Morgen und Mittag die letzten Zweige des
ungeheuern Miriquidiwaldes hin, der von der böhmischen Gränze
an bis über die Mulde herunter strich und in die Leina auslief.
Ein anderer Wald zog von der Mulde an durch den Norden des-
selben Kreises bis nach der Saale, ein Rest von ihm ist der heutige
Kammerforst.
Die damaligen Bewohner des Landes waren ein deutscher
Volksstamm, die Hermunduren. Sie zogen in dem Vierecke
umher, welches im Süden vom Erzgebirge, im Norden vom Harze,
im Osten von der Elbe, im Westen von der Werra gebildet wird.
Wo sie Weide für ihre Heerden fanden, schlugen sie ihre Hütten
auf; eben so rasch brachen sie dieselben ab, wenn es galt, bessere
Weideplätze aufzusuchen. Neben Viehzucht war Jagd auf Wölfe,
Bären, Auerochsen, Elenthiere ihre Hauptbeschäftigung. Für ge-
wöhnlich über das weite Land zerstreut, sind sie in kurzer Zeit ver-
einigt und stehen wie ein Mann zusammen, wenn es sich um Frei-
heit und Selbstständigkeit handelt. Vielleicht stammen aus ihrer
Zeit die Hünengräber, mächtige Erdhügel, die sich in der Leina,
bei Meuselwitz, Hartroda und an anderen Orten des Ostkreises
finden. Im 3. Jahrhunderte verschwinden die Hermunduren aus
der Geschichte, selbst ihr Name kommt später nicht mehr vor. In
ihren Wohnplätzen sitzen seit der Mitte des 4. Jahrhunderts die
Thüringer, d. i. Hochländer; daher denn viele Geschichtsforscher
meinen, Hermunduren und Thüringer seien ein und derselbe Stamm.
Ihr Königreich nimmt zu Anfange des 6. Jahrhunderts den ganzen
Landstrich zwischen Main und Harz, Elbe und Rhein ein. Im
Jahre 531 wurde es von den Franken angegriffen. Am Ronne-
berge bei dem Dorfe Zingst unweit Nebra stießen die Heere auf
einander. Drei Tage dauerte die Schlacht. Viele Tausende fielen
auf beiden Seiten. Zahllose Leichen füllten das Bett der Unstrut,
so daß die Franken über sie hinweg zogen wie über eine feste Brücke.
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