1870 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: Runkwitz, Karl
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
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ging er 1505 in das Kloster, um dort mit Mönchswerken Gott zu
dienen und die Seligkeit zu erwerben. Aber obwohl er mit Wachen,
Beten, Lesen und anderer Arbeit sich fast zu Tode marterte, war er
doch immer traurig; er würde verzweifelt sein, wenn ihm Gott nicht
in seiner Noth einen alten Klosterbruder zugeschickt hätte. Dieser ver-
wies ihn, als er ihm seine Anfechtungen klagte, auf die Worte: Ich
glaube eine Vergebung der Sünden. Es sei nicht genug, im Allge-
meinen zu glauben, daß etlichen vergeben werde, wie auch die Teufel
glauben, daß dem David oder Petrus vergeben sei, sondern das sei
Gottes Wille, daß jeglicher glaube, daß ihm vergeben werde.
Im Jahre 1508 kam Luther wegen seiner sonderlichen Geschick-
lichkeit und ernstlichen Frömmigkeit als Lehrer an die neue Universität
nach Wittenberg. Er lehrte so gewaltig, daß sich verständige Männer
sehr verwunderten und einer sagte: „Dieser Mönch wird alle Doctoren
irre machen und eine neue Lehre aufbringen und die ganze römische
Kirche reformiren; denn er legt sich auf der Propheten und Apostel
Schrift und stehet auf Jesu Christi Wort."
15io wurde er in Klostergeschäften nach Rom geschickt, davon er
später oftmals gesagt hat: „Ich wollte nicht 100,000 Gulden nehmen,
daß ich Rom nicht gesehen hätte." In Andacht war Luther nach Rom
gekommen und hoffte dort, den Frieden für seine Seele zu finden.
Aber er entsetzte sich über die gotteslästerlichen Reden der Priester bei
Tische. „Daneben ekelte mir sehr, daß sie so sicher und fein rips raps
konnten Messe halten, als trieben sie ein Gaukelspiel; denn ehe ich
zum Evangelio kam, hatte mein Nebenpfaffe seine Messe ausgerichtet
und schrie zu mir: Immer weg, komm davon!" Und als er die Stufen
an der Pilatusstiege hinauf rutschte, um mit solchem Werke Vergebung
der Sünden zu verdienen, war ihm nicht anders zu Muthe, als riefe
ihm eine Donnerstimme zu: Der Gerechte lebt seines Glaubens.
241. Am 31. Oktober 1517.
Den 31. Oktober 1517 schlug Luther die 95 Streitsätze wider
die Lehre vom Ablasse an der Thüre der Schloßkirche zu Wittenberg an.
Willst du wissen, wie das so gekommen ist, mußt du mit mir die vier
Meilen von Wittenberg nach Jüterbogk gehen und dich in dieser Stadt
ein wenig umsehen. Hier hatten etwa vier Wochen vorher die Bürger,
die Geistlichen an der Spitze, den Ablaßprediger Johann Tezel in einer
feierlichen Prozession mit Kreuz und Fahnen eingeholt. Unter dem
Geläute der Glocken fuhr er in die Stadt ein, indem die päpstliche
Ablaßbulle auf einem Sammetkissen vor ihm hergetragen wurde. In
der Stadtkirche hatte er dann ein rothes Kreuz mit des Papstes Wappen
aufgerichtet und behauptete nun von diesem, es wäre so kräftig, wie
das Kreuz Christi selber. Es wäre nicht Noth, Reue noch Leid oder
Buße über die Sünde zu haben; wenn einer den Ablaß oder die Ab-
laßbriefe bei ihm löste, so erhalte er völlige Vergebung der Sünde.
Es brauche sich einer den Meineid, den er vor den Richtern geschworen,
oder den Mord, den er an seinem Bruder begangen, nicht leid sein