1870 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: Runkwitz, Karl
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
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zu lassen, wenn er nur seine neun oder acht Ducaten zahle. Solche
Gnade und Gewalt aber habe er vom Papste, der mehr Macht besitze,
denn alle Apostel, Engel und Heiligen, weil demselben Christus nach
der Himmelfahrt das Regiment über die Kirche abgetreten habe; kraft
seiner Gewalt lange er nicht allein in den Himmel, sondern auch hin-
unter in das Fegefeuer: sobald der Groschen im Kasten klinge, führe
die Seele, für die man einlege, von Stund' an gen Himmel.
Luther spürte gar bald die Früchte von Tezels Treiben. Er hörte
in Wittenberg Beichte; da kamen oft nur zehn, wo sonst fünfzig ge-
kommen waren, und unter diesen zehn waren sicherlich fünf, die zwar
schwere Sünden beichteten, aber auf Luthers ernstliche Bußpredigt große
Grumpen vorgaben, d. h. gottlose Reden führten und sich hören ließen,
daß sie von Ehebruch, Hurerei, Wucherei, unrechtem Gut und der-
gleichen nicht ablassen wollten. Als sie nun der Doctor nicht absol-
viren wollte, beriefen sich die Beichtkinder auf ihre Papstbriefe und
Tezels Gnade und Ablaß. Luther erwiderte, er kümmere sich nicht um
Papiere, wenn sie sich nicht besserten, so würden sie alle umkommen;
sie sollten Buße thun, sonst keine Absolution. Da wandten sie sich
an Tezel und klagten ihm, wie dieser Augustinermönch auf seine Briefe
nichts geben wolle. Tezel ward über dieser neuen Zeitung sehr zornig
er wüthete, schalt und vermaledeite greulich auf dem Predigtstuhle,
und damit er ein Schrecken machte, ließ er etliche Male in der Woche
ein Feuer auf dem Markte anzünden, um anzuzeigen, daß er vom
Papste Befehl habe, alle Ketzer zu verbrennen, die sich wider den aller-
heiligsten Ablaß setzten. Aber er hatte sich in Luther geirrt. Der
hätte sich von einem Feuer nicht schrecken lassen, das ihm auf den Leib
brannte, geschweige denn von einem Feuer, acht Stunden von ihm.
Zu der Zeit, erzählt Luther selbst, war ich Prediger allhier im Kloster,
und ein junger Doctor, neulich aus der Esse gekommen, hitzig und
lustig in der heiligen Schrift.
Zu gleicher Zeit schrieb Luther einen Brief an den Bischof von
Magdeburg mit der Bitte, dem Tezel Einhalt zu thun. Aber er bekam
keine Antwort. Da schrieb er zum andern an den Bischof von Bran-
denburg, zu dessen Sprengel Wittenberg gehörte. Dieser antwortete:
Luther griffe der Kirche Gewalt an und würde sich selber Mühe machen;
er riethe ihm, er möge davon lassen.
So blieb Luther nur noch eins übrig. Nach der Sitte der da-
maligen Zeit wurden auf Universitäten wichtige Lehrsätze in öffentlichen
Disputationen zur Sprache gebracht. Luther beschloß, auch auf diesem
Wege gegen die Mächte der Finsterniß anzukämpfen. Und so sehen
wir ihn denn, wie er einige Minuten vor Mittag aus seinem Kloster
heraustritt, in der Hand die Pergamentrolle, auf welche er seine Sätze
wider die Lehre vom Ablasse geschrieben hatte, und neben sich einen
Klosterdiener mit der Leiter aus der Achsel. Mit dem ersten Schlage
auf zwölf schlug der Diener den ersten, mit dem zwölften Schlage den
letzten Nagel ein, der die Streitschrift an die Thüre der Schloßkirche
befestigte, so daß sie nun männiglich lesen konnte. Die Summe aller