1870 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: Runkwitz, Karl
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
von Braunschweig aber liess ihm zur Erfrischung in einer silber-
nen Kanne einen Trunk Eimbecker Bier reichen. Den nahm Dr.
Luther an mit diesen Worten: „Wie Ehrst Erich mein gedenkt,
so gedenke sein unser Herr Christus in seiner letzten Stunde.“
Freitags, da die Stände im Reichsrathe versammelt waren, sandte
ihnen der Kaiser eine Schrift dieses Inhalts, weil Dr. Luther von
seinen Irrthümern auch nicht eines Fingers breit abzustehen sich
vorgenommen, so denke er, ihn und seine Anhänger mit Bann und
Acht zu verfolgen.
Luther war nun vogelfrei. Deswegen dünkte es den Kurfür-
sten von Sachsen, Friedrich den Weisen, dem Luthers Verantwor-
tung auf dem Reichstage herzlich Wohlgefallen hatte, denselben für
einige Zeit an einem sicheren Orte aufzuheben. Auf Anhalten gu-
ter Leute willigte Luther endlich in diesen weisen Rath, obgleich
er sein Blut für die Wahrheit gern vergossen hätte. In der Nähe
von Altenstein sprengten ihn 2 Edelleute mit 2 Knechten an,
hiessen den Fuhrmann still halten, griffen Dr. Luther mit schein-
barem Ungestüme und setzten ihn auf ein Pferd. Fast um Mitter-
nacht kamen sie auf das Schloss Wartburg bei Eisenach. Da hielt
man Luther unter dem Namen Junker Georg als einen Gefangenen.
Seine Zeit brachte er damit zu, viele gute Bücher im Druck zu
fertigen; auch fing er an, die Heilige Schrift zu verdeutschen.
244. Dr. Wenzel Links erste Predigt in Altenburg.
Es ist in den letzten Vormittagsstunden an einem der ersten
Februartage des Jahres 1523. Ein solches Drängen und Treiben
unter seinen Fenstern hatte der alte Thorwart zu St. Johannes in
Altenburg noch niemals in seinem Leben gesehen, selbst voriges Früh-
jahr nicht, als Magister Gabriel Didymus von Wittenberg in die Stadt
gekommen war und draußen vor dem Thore unter der großen Linde,
säst an derselben Stelle, wo jetzt dem reichen Hospitale gegenüber eine
halbwüchsige Linde in voller Kraft steht, das reine Gotteswort nach
der Lehre des Dr. Martinus gepredigt hatte. Was von den 7000
Einwohnern der Stadt gesund war und nicht durch die Pflege der
Alten und Kranken oder durch die Sorge für das Mittagsbrot in den
Häusern gehalten wurde, das war auf den Beinen. Sonst traten die
Leute aus dem Volke scheu zur Seite, wenn ihnen einer von den stol-
zen Chorherren aus dem reichen Kloster Unserer Lieben Frauen auf
dem Berge begegnete; aber heute müssen sie warten, wie andere, bis
sie der Strom durch das Thor trägt, und doch halten sie gerade heute
in ihren feinen, mit kostbarem Pelzwerk verbrämten Kutten den Nacken
um eins so steif, und oen Kopf noch einmal so hoch, als sonst. Es
dünkt sie, der Gang vor das Thor sei der Anfang zu neuen und
größeren Siegen; hatten sie doch dem Magister Gabriel also zugesetzt,
daß er von Altenburg nach Torgau entweichen mußte, und war eben
in den letzten Tagen ein strenges Mandat vom Bischof Philippus in
Naumburg angeschlagen worden, in welchem jedwede Theilnahme an