1870 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: Runkwitz, Karl
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
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evangelischen Fürsten erheben sich, denn stehend wollen die Stand-
haften bekennen. Der Kaiser verlangt, daß das lateinische Exemplar
vorgelesen werde. Kurfürst Johann aber erwiedert: „Auf deutschem
Grund und Boden soll man billig in deutscher Sprache lesen und
hören." Der Kaiser bewilligt es; und nun beginnt Dr. Beyer mit
so lauter und vernehmlicher Stimme zu lesen, daß auch die Menge,
welche draußen im Schloßhofe zusammengeströmt ist, alle Worte
verstehen kann. Zwei Stunden dauerte die Vorlesung, und nach
Beendigung derselben überreichte Dr. Brück beide Exemplare der
Schrift dem kaiserlichen Sekretär Alexander Schweis. Der Kaiser
aber griff sogleich nach dem lateinischen, das deutsche gab er dem
Kurfürsten von Mainz. Der Eindruck, den dieses vorgelesene
Glaubensbekenntniß auf die ganze Versammlung machte, war ein
gewaltiger, denn es war ja ein Zeugniß des heiligen Geistes, ge-
flossen aus dem ewig klaren Brünnlein Gottes. Selber der Kaiser,
wie wenig geneigt er sonst auch den Evangelischen war, ließ ihnen
doch bedeuten, daß er mit gnädigem Wohlgefallen ihr Bekenntniß
vernommen. Der gelehrte Bischof von Augsburg bekannte offen,
es sei alles, was vorgetesen worden, die lautere, unleugbare Wahr-
heit. Herzog Wilhelm von Baiern drückte dem Kurfürsten Johann
freundlich die Hand, und als er dem dabeistehenden Dr. Eck vor-
warf, er habe ihm die lutherische Lehre ganz falsch vorgestellt, und
dieser erwiederte, mit den Kirchenvätern getraue er sich dieselbe
wohl zu widerlegen, aber nicht mit der Schrift, da sprach Herzog
Wilhelm: „So merke ich wohl, die Lutherischen sitzen in der Schrift,
und wir darneben." Wie diesem Baiernherzog aber ging es Vielen,
welche bei der Vorlesung gegenwärtig gewesen waren, und dazu
auch noch unzähligen Andern, welche die vortreffliche Bekenntniß-
schrift, die sich bald in alle Gegenden der Welt hin verbreitete und
in alle mögliche Sprachen übersetzt wurde, lasen. Den größten
Segen von dem Bekenntnisse hatten aber die Bekenner selbst; denn
nachdem sie mit einem Munde, unter einer und derselben Gefahr
ein so kräftiges Zeugniß ihres Glaubens abgelegt hatten, fühlten
ihre Herzen sich auch in diesem Glauben inniger verknüpft, und so
standen sie nun da als ein Mann in Christo, als ein heiliger
Leib des Herrn, der mit einem Geiste getauft an dem, der das
Haupt ist, fort und fort wächst zu göttlicher Größe.
250. Luthers Tod.
18. Febr. 1546.
Im Januar 1546 reiste Luther mit drei Söhnen nach Eisleben.
Dahin hatten ihn die Grafen von Mansfeld gerufen, um Streitig-
keiten zu schlichten, die zwischen ihnen unter einander und mit einigen
ihrer Unterthanen entstanden waren. Unterwegs war er schon sehr
schwach; doch predigte er noch viermal in Eisleben, erschien auch über
Tische recht gesprächig und schrieb an seine Frau nach Wittenberg