1870 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: Runkwitz, Karl
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
um uns,“ sagte Napoleon im Hochgefühle seines Glückes zu dem
neben ihm stehenden Staatsschreiber Graf Ham, und einem deut-
schen Prinzen in seinem Gefolge, Emil von Hessen-Darmstadt, soll
er zugerufen haben: „Torwarts, König von Preussen!“ Aber es
soll keiner, und wenn er auch ein Napoleon ist, die Kechnung
ohne den Wirth machen. Kaum hatte das Glockengeläute ange-
fangen, als man auf einmal ganz nahe bei der Stadt von Norden
her das furchtbare Brüllen der Kanonen hörte; von den Thürmen
sah man den Anmarsch des Blücher’schen Heeres, Yorks Kampf
um Möckern Aber auch in der Mitte des Schlachtfeldes kam es
anders, als Napoleon gedacht hatte. Allerdings durchbrachen seine
Beiter die Schlachtreihe der Verbündeten. Mit verhängten Zügeln
sprengten sie vorwärts auf die Anhöhe hinter Gossa zu, auf wel-
cher die beiden Kaiser und der König von Preussen hielten. Die
Gefahr war gross: die Herrscher nahe daran gefangen und ein
Theil des Heeres auf die Aue in das Verderben geworfen zu wer-
den. Aber Kürst Schwarzenberg bewahrte seine Buhe. Scharf
beobachtete er den Ansturz der Beiter. „Sie sind athemlos, wenn
sie da sein werden,“ sagte er, „ihre beste Kraft geht verloren.“
Er bat die Herrscher, sich weiter zurück in Sicherheit zu begeben,
zog seinen Degen und sprengte hinab zur Schlachtreihe, um ent-
gegen zu werfen, was noch zur Hand war. Kaiser Alexander
hörte auf keine Vorstellung, er blieb. Er liess seine Leibkosaken
aufsitzen und mit den nahen Geschützen dem Feinde entgegen
reiten. Erst als er sah, dass die Kanonen seines Bückhaltes im
gestreckten Galopp kamen, jagte er rückwärts. Neben Gülden-
gossa lagen 2 Teiche, durch einen Graben verbunden. Sie hemm-
ten den weiteren Ansturz der Franzosen. Während dieses Auf-
enthaltes waren die Leibkosaken heran und stürzten sich auf den
Feind, indem ihre Geschütze mit fürchterlicher Wirkung den-
selben beschiessen. Immer mehr Beiter und Kanonen der Ver-
bündeten langten unterdessen auf dem Kampfplatze an; ausgesetzt
ihren wüthenden Anfällen, lösten sich die französischen Beiter-
reihen immer mehr, bis sie in einen wirren Knäuel zusammenge-
drängt, auf ihre eigenen Geschütze zurückgeworfen wurden. Die
Mitte der Verbündeten war gerettet. Als nun der Abend herein
brach, und mit ihm der Kampf allmählig aufhörte, standen beide
Heere so ziemlich noch, wie sie am Morgen gestanden hatten;
aber die Verbündeten waren doch weitaus im Vortheile: York
hatte die Franzosen bis dicht an Leipzig heran geworfen; Napoleon
hoffte, das böhmische Heer werde als geschlagen abziehen, und es
wich nicht von der Stelle; dazu kam, dass Napoleon alles aufge-
boten hatte, was in seiner Macht stand, während die Verbündeten
mit Sicherheit auf die Ankunft von 100,000 frischen Soldaten
rechnen konnten.
Sonntag den 17. Okt. war fast auf allen Punkten Buhe. Die-
ser Tag war für Napoleon ein verlorner Tag. Durch Unterhand-
lungen mit den Verbündeten hatte er gehofft, den Kopf noch aus