1870 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: Runkwitz, Karl
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
340
Baum 8 Monate hindurch blüht und stets Blumen und Früchte zugleich
trägt. Diese bilden eiförmige, \ Zoll lange, fleischige, innen mit
einer pergamentartigen Haut ausgekleidete zweifächerige Beeren, die in
ihrer dunkel scharlachrvthen Farbe unsern Kirschen gleichen In jedem
Fache liegt ein Samenkorn, die flache, mit einer Mittelfurche versehene
Seite ist nach innen, die gewölbte nach außen gekehrt. Die reifen Beeren
werden abgepflückt und an der Sonne getrocknet; dann scheidet man
die Körner oder Bohnen auf besonders eingerichteten Mühlen von
dem rothen Fleische.
Der Thee ist kein solcher Weltbürger geworden, wie der Kaffee,
der sich in jede Küche und auf jede Ofenbank drängt, sondern ein gar
vornehmer Vetter desselben, der nur gewählte Gesellschaften besucht.
Der Theestrauch gedeiht nur recht in seinem Vaterlande China
und in Japan, wohin ihn chinesische Mönche verpflanzt haben.
Anderswo wurde er auch angebaut, allein die feinen Zungen finden ihn
grob und ohne Duft. Was für ein vornehmes Gewächs er ist, zeigt
sich darin, daß man erst im dritten Jahre seine Blätter benutzen kann,
und daß man schon im siebenten die Sträucher wieder umhauen und
neue setzen muß. In der Zwischenzeit will er mit Ölkuchen und trocknen
Sardellen gedüngt und mit dem Safte des Senfsamens begossen
werden. — In China und Japan ist der Thee seit mehr als 1000
Jahren Nationalgetränk. Es genießt ihn der Kaiser und der Bettler;
er wird jedem Gaste angeboten und auf allen Straßen und Wegen in
besonderen Schenken verkauft. Auch gibt es dort Leute, die in der
319. Der Theestrauch.
Kunst, den Thee zuzubereiten und
ihn mit Anstand zu serviren, für
Geld Unterricht ertheilen, und es
soll Kenner geben, die mehrere hun-
dert verschiedene Sorten zu unter-
scheiden wissen, wozu allerdings eine
Zunge und eine Nase gehört fast
so fein, wie ein Ohr, das Gras
wachsen hören will.
Der Theestrauch erreicht, sich
selbst überlassen, eine Höhe von
10 — 12 Fuß; unter der Kultur
hält man ihn niedriger, oft nur
2—3 Fuß hoch, weil er dann desto
mehr Zweige treibt. Er ist ganz
mit glänzenden, dunkelgrünen Blät-
tern bedeckt, denen unserer Sauer-
kirschen ähnlich. Die großen, schön
weißen, schwach duftenden Blumen
kommen einzeln aus den Blatt-
winkeln und gleichen einigermaßen