1870 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: Runkwitz, Karl
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
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Die Sache fängt an, dem verständigen Leser einzuleuchten, und
er wäre bald bekehrt, wenn er nur auch etwas von dem Drehen und
Laufen der Erdkugel verspüren könnte! Deswegen und
Viertens, sagt Kopernikus, man kann die Bewegung eines Fahr-
zeuges, auf welchem man mit fährt, eigentlich nie an dem Fahrzeuge
selbst erkennen, sondern man erkennt sie an den Gegenständen rechts
und links, an den Bäumen und Kirchthürmen, welche stehen bleiben,
und an denen man nach und nach vorbeikommt. Wenn ihr auf einem
sanft fahrenden Wagen, oder lieber in einem Schifflein auf dem Rhein
oder auf der Oder fahrt, und ihr schließt die Augen zu, oder ihr schaut
eurem Kameraden, der mit euch fährt, steif auf seinen Rockknopf, so
merkt ihr nichts davon, daß ihr weiter kommt. Wenn ihr aber um-
schaut nach den Gegenständen, welche nicht selber bei euch auf dem
Fahrzeuge sind, da kommt euch das Ferne immer näher, und das 'Rahe
und Gegenwärtige verschwindet hinter eurem Rücken, und daran erkennt
ihr erst, daß ihr vorwärts kommt, also auch die Erde. An der Erde
selbst und allem, was auf ihr ist, so weit man schauen kann, läßt sich
ihre Bewegung nicht absehen; (denn die Erde ist selbst das große Fahr-
zeug, und alles, was man auf ihr sieht, fährt selber mit), sondern
man muß nach etwas schauen, das stehen bleibt und nicht mitfährt,
und das sind eben die Sonne und die Sterne, zum Beispiel der soge-
nannte Thierkreis. Denn zwölf große Gestirne, welche man die zwölf
himmlischen Zeichen nennt, stehen am Himmel in einem hohen Kreis
um die Erde herum. Sie heißen: der Widder, der Stier, die
Zwillinge, der Krebs, der Löwe, die Jungfrau, die Wage,
der Skorpion, der Schütz, der Steinbock, der Wassermann,
die Fische.
Eins folgt auf das Andere, und das Letzte schließt an das Erste
wieder an, nämlich die Fische an den Widder. Dies ist der Thierkreis.
Er steht aber noch viel höher am Himmel als die Sonne, und sie
steht von hier aus betrachtet immer zwischen den zwei Strichen, die
seinen Rand bezeichnen, und in einem Zeichen derselben. Denn ob sie
gleich noch weit herabwärts desselben steht, so meint man doch wegen
der sehr großen Entfernung, sie befinde sich in dem Zeichen selbst.
Wenn sie aber heute in dem Zeichen des Steinbocks steht, so steht sie
nach 30 Tagen nicht mehr im Zeichen des Steinbocks, sondern im
-nächsten, und je nach 30 Tagen immer in dem nächstfolgenden, und
daran erkennt man, daß die Erde in ihrem Kreislauf unterdessen vor-
wärts gegangen sei. Es kann nicht fehlen. Zu dem allen sagt
Fünftens und Letztens Kopernikus, wenn gleichwohl die Axe der
Erdkugel gegen die Sonne wagerecht läge, und die Erde drehte sich
auch so, und sie bewegte sich wagerecht in einer vollkommen runden
Zirkel-Linie um die Sonne, also daß die Sonne genau im Mittelpunkt
ihres Zirkelkreises stände, so müßte Jahr aus Jahr ein und auf allen
Orten der Erde Tag und Nacht gleich sein. Ja, es müßte mitten
auf der Erde rechts und links um den rothen Faden ein ewiger Sommer
glühen, weiterhin zu beiden Seiten am Abhang der Kugel milderte
und kühlte sich die Hitze ein wenig, je schiefer die Sonnenstrahlen