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1. Leseblüthen! - S. 228

1854 - Hamburg : Herold
228 Die Stadt hatte eine Burg, ein starkes altes Gebäude, das auf einem der höchsten Berge stand und sich theils durch seine Größe, theils durch den arabischen Geschmack auszeichnete, in dem es gebauet war. Der Adel hatte treffliche Häuser aus Quadersteinen mit schönen Gärten, die der Stadt zur großen Zierde gereichten; indeß machten die gemeinen Häuser nur eine schlechte Figur. Innerhalb der Stadt zählte man vierzig Kirchen außer der Kathedrale, die auf einem der höchsten Hügel stand und daher in der Ferne prachtvoll aussah; ein altgothisches Gebäude, aber inwendig höchst kostbar ausgeschmückt. Die Stadt hatte nicht weniger als fünf und zwanzig Klöster für Mönche, achtzehn für Nonnen und etwa hundert und dreißig für Laien, die Kapellen und Priester hielten. Für die Armen waren etliche große Hospitäler errichtet. Der königliche Palast gewährte vom Flusse her einen prächtigen Anblick; er hatte eine sehr Vortheilhafte Lage, da man aus den Fenstern große Flotten vor Anker und alle Schiffe sehen konnte, die in den großen Hafen einliefen, oder aus demselben segelten. Dieser Palast bildete eine Seite von einem Viereck; daö Zollhaus, die Fleischbänke, der Kornmarkt u. s. w. die andern Seiten. Auf diesem Platze hielt man die Stiergefechte; auch verbrannte hier die Inquisition, die auf dem Platze Rosina ihre Blutgerichte hielt, die unglücklichen Opfer ihrer Verfolgungswuth. Die Straßen waren ausnehmend eng und etliche sehr steil. Der vortreffliche Hafen konnte zehn tausend Schiffe fassen und war so tief, daß die größten Schiffe in achtzehn Klaftern Wasser gerade vor dem Palaste ganz sicher, auf ihre Anker vertrauend, liegen konnten. Den Eingang schützten zwei Forts, St. Julian, welches auf's Ufer ge- baut ist, und Dorre, das auf einem Bollwerke, von Wasser umringt, steht. Allein die größte Vertheidigung des Hafens war und ist noch die Barre, oder die Sandbank, welche sich quer vor demselben er- streckt und allen Schiffen höchst gefährlich wird, die keinen erfahrnen Lootsen haben. Das war Lissabon bis aus den Isten November 1755. Frühe noch eine der schönsten, reichsten und bevölkertsten Städte und Abends ein Schutthaufen, eine dampfende Brandstätte, ein unabsehbares Lei- chenfeld. An diesem verhängnißvollen Morgen war der Himmel heiter und lachend, wiq er es fast immer in den glücklichen Kreisen des europäischen Süden ist. Kein Lüftchen regte sich, aber sieben und fünfzig Minuten auf zehn Uhr hörte man es in den Straßen rollen, gleich als ob Karossen hinab rollten; zugleich bebte die Erde mit gewaltiger, wogender Bewegung. Es war gerade der Festtag Allerheiligen, und die Einwohner hatten sich zahlreich in den Kirchen versammelt, als das Unglück losbrach. Die kurze Zeit von zehn Minuten war hinreichend, die schönsten Paläste, die prunkreichsten Kirchen und Privatgebäude in bejammernswürdige Trümmer zu verwandeln, unter denen Tausende ihren Tod fanden. Gleich bei der ersten Er-
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