1842 -
Karlsruhe [u.a.]
: Herder
- Autor: Heberling, Joseph Theodor
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
107
Charakter hegte. Theils jene freiwillige Enthaltsam-
keit von allem ausschließenden Genuß, theils unzählige
Beispiele von seiner unermüdeten, väterlichen Sorge
für das Wohl seiner Untergebenen, stärkten ihr Ver-
trauen auf ihn bis zu einem Grade von Begeisterung.
Ein Tag unter dem Aequator
Wie glüklich bin ich hier, wie tief und innig kommt
hier so manches, in der Natur zu meinem Verständnisse,
daö mir vorher unerreichbar stand! Dieser Ort, wo
alle Kräfte stch harmonisch vereinen, zeitiget Gefühle
und Gedanken. Ich meine bester zu verstehen, was es
heiße, die Natur zu beschreiben. Ich versenke mich täglich
in das große und unaussprechliche Stillleben derselben und
vermag ich auch nicht, es ganz zu erfassen, so erfüllt
mich doch die Ahnung der Herrlichkeit Gottes, der die
ganze Natur in so großer und stiller Schönheit erschaffen,
mit nie gefühlter Wonne. — Es ist drei Uhr Morgens;
ich verlasse meine Hangmatte, denn der Schlaf flieht
mich Aufgeregten; ich öffne die Läden, und sehe hin-
aus in die dunkle, hehre Nacht. Feierlich flimmern
die Sterne, und der Strom glänzt im Widerscheine des
untergehenden Mondes zu mir herüber. Wie geheim-
uißvoll und stille ist Alles um mich her! Ich wandle
mit der Blendlaterne hinaus in die kühle Varanda 2)
und betrachte meine trauten Freunde: Bäume und
Gesträuche, die um die Wohnung her stehen. Manche
schlafen mit dicht zusammengelegten Blättern, andere
aber, die Tagschläfer sind, ragen ruhig ausgebreitet
in die stille Nacht auf; wenige Blumen stehen ge-
öffnet: nur ihr, süßduftende Paulinien-Heken begrüßet
mit feinstem Wohlgeruche den Wanderer, und du,
düsterschattende Manga, deren dichtbelaubte Krone mich
gegen den Nachtthau schüzet. Gespensterhaft flattern
Geschrieben zu Para in Brasilien.
2) Das Vordach.