1857 -
Jena
: Mauke
- Hrsg.: Lauckhard, Carl F.
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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Jetzt wußte sie ihres Reichthums keiu Ende; doch mit der
Besitznehmung empfand sie auch die drückenden Sorgen desselben.
Sie ward unruhig, scheu, fühlte Herzklopfen, wußte nicht, ob sie
den Schatz in die Lade verschließen oder in den Keller vergraben
sollte, fürchtete Diebe und Schatzgräber, wollte auch den Knauser
Steffen nicht gleich Alles wissen lassen, aus gerechter Besorgniß, daß
er, vom Wuchergeiste angetrieben, den Mammon an sich nehmen
und sie dennoch nebst den Kindern darben lassen möchte. Sie sann
lange, wie sie es klug damit anstellen möchte, und fand keinen
Rath. Endlich nahm sie ihre Zuflucht zu dem trostreichen Seelen-
pfleger des Dorfes, berichtete ihm unverhohlen das Abenteuer mit
Rübezahl, wie er ihr zu großem Reichthume verholfcn und was
sie dabei für Anliegen habe. Nachdem er lange nachgesonnen
hatte, sagte er': „Hör an, meine Tochter, ich weiß guten Rath für
Alles. Wäge mir das Gold zu, daß ich Dirs getreulich aufbe-
wahre; dann will ich einen Brief schreiben in welscher Sprache,
der soll dahin lauten: Dein Bruder, der vor Jahren in die Fremde
ging, sei in der Venediger Dienst nach Indien geschifft und da-
selbst gestorben, und hab all sein Gut Dir im Testament ver-
macht, mit dem Beding, daß der Pfarrer des Kirchspiels Dich
bevormunde, damit es Dir allein, und keinem Andern zu Nutz
komme. Ich begehre weder Lohn noch Dank von Dir; nur gedenke,
daß Du der heiligen Kirche einen Dank schuldig bist für den Se-
gen, den Dir der Himmel bescheeret hat, und gelob ein reiches
Meßgewand in die Sakristei." Dieser Rath behagte dem Weibe
herrlich; sie gelobte dem Pfarrer das Meßgewand; er wog in
ihrem Beisein das Gold gewissenhaft bis auf ein Quentlein ans,
legt cs in den Kirchenschatz, und das Weib schied mit frohem und
leichtem Herzen von ihm.
Rübezahl war nicht minder ein Weiberpatron. So sehr die
wackere Dörfcrin mit ihren Gesinnungen und ihrem Benehmen
seine Gewogenheit erworben hatte, so ungehalten war er über den
barschen Steffen, trug groß Verlangen, das biedere Weib an ihm
zu rächen, ihm einen Possen zu spielen, daß ihm Angst und Weh
dabei würde, und ihn dadurch so kirre zu machen, daß er der
Frau Unterthan würde und sie ihm nach Wunsche den Daumen
aufs Angehalten könne. Zu diesem Behufe sattelte er den raschen
Morgenwind, saß auf und galophirte über Berg und Thal, spio-
nirte wie ein Ausreiter auf allen Landstraßen und Kreuzwegen von
Böhmen her, und wo er einen Wandrer erblickte, der eine Bürde
trug, war er hinter ihm her, und forschte mit dem Scharfblick
eines Korbbeschauerö nach seiner Ladung. Zum Glück führte
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