Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Vaterländisches Lesebuch - S. 177

1857 - Jena : Mauke
177 Jetzt wußte sie ihres Reichthums keiu Ende; doch mit der Besitznehmung empfand sie auch die drückenden Sorgen desselben. Sie ward unruhig, scheu, fühlte Herzklopfen, wußte nicht, ob sie den Schatz in die Lade verschließen oder in den Keller vergraben sollte, fürchtete Diebe und Schatzgräber, wollte auch den Knauser Steffen nicht gleich Alles wissen lassen, aus gerechter Besorgniß, daß er, vom Wuchergeiste angetrieben, den Mammon an sich nehmen und sie dennoch nebst den Kindern darben lassen möchte. Sie sann lange, wie sie es klug damit anstellen möchte, und fand keinen Rath. Endlich nahm sie ihre Zuflucht zu dem trostreichen Seelen- pfleger des Dorfes, berichtete ihm unverhohlen das Abenteuer mit Rübezahl, wie er ihr zu großem Reichthume verholfcn und was sie dabei für Anliegen habe. Nachdem er lange nachgesonnen hatte, sagte er': „Hör an, meine Tochter, ich weiß guten Rath für Alles. Wäge mir das Gold zu, daß ich Dirs getreulich aufbe- wahre; dann will ich einen Brief schreiben in welscher Sprache, der soll dahin lauten: Dein Bruder, der vor Jahren in die Fremde ging, sei in der Venediger Dienst nach Indien geschifft und da- selbst gestorben, und hab all sein Gut Dir im Testament ver- macht, mit dem Beding, daß der Pfarrer des Kirchspiels Dich bevormunde, damit es Dir allein, und keinem Andern zu Nutz komme. Ich begehre weder Lohn noch Dank von Dir; nur gedenke, daß Du der heiligen Kirche einen Dank schuldig bist für den Se- gen, den Dir der Himmel bescheeret hat, und gelob ein reiches Meßgewand in die Sakristei." Dieser Rath behagte dem Weibe herrlich; sie gelobte dem Pfarrer das Meßgewand; er wog in ihrem Beisein das Gold gewissenhaft bis auf ein Quentlein ans, legt cs in den Kirchenschatz, und das Weib schied mit frohem und leichtem Herzen von ihm. Rübezahl war nicht minder ein Weiberpatron. So sehr die wackere Dörfcrin mit ihren Gesinnungen und ihrem Benehmen seine Gewogenheit erworben hatte, so ungehalten war er über den barschen Steffen, trug groß Verlangen, das biedere Weib an ihm zu rächen, ihm einen Possen zu spielen, daß ihm Angst und Weh dabei würde, und ihn dadurch so kirre zu machen, daß er der Frau Unterthan würde und sie ihm nach Wunsche den Daumen aufs Angehalten könne. Zu diesem Behufe sattelte er den raschen Morgenwind, saß auf und galophirte über Berg und Thal, spio- nirte wie ein Ausreiter auf allen Landstraßen und Kreuzwegen von Böhmen her, und wo er einen Wandrer erblickte, der eine Bürde trug, war er hinter ihm her, und forschte mit dem Scharfblick eines Korbbeschauerö nach seiner Ladung. Zum Glück führte 12
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer