1857 -
Jena
: Mauke
- Hrsg.: Lauckhard, Carl F.
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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kein Wandrer, der diese Straße zog, Glaswaare, sonst hatte er
für Schaden und Spott nicht sorgen dürfen, ohne Ersatz zu hoffen,
wenn er auch gleich der Mann nicht gewesen wäre, den Rübezahl
suchte.
Bei diesen Anstalten, konnte ihm der schwerbeladene Steffen aller-
dings nicht entgehen. Um Besperzeit kam ein rüstiger, frischer Mann
angeschritten mit einer großen Bürde auf dem Rücken. Unter seinem fe-
sten, sichern Tritte erdröhnte jedesmal dielast, die er trug. Der Lau-
rer freute sich, sobald er ihn in der Ferne witterte, daß ihm nun seine
Beute gewiß war, und rüstete sich, seinen Meisterstreich auszu-
führen. Der keuchende Steffen hatte beinahe das Gebirge erstie-
gen; nur die letzte Anhöhe war noch, zu gewinnen, so gings bergab
nach der Heimath zu, darum sputete er sich, den Gipfel zu er-
klimmen; aber der Berg war steil, und die Last schwer. Er mußte
mehr als einmal ruhen, stützte den knotigen Stab unter den Korb,
um das drückende Gewicht desselben zu mindern und trocknete den
Schweiß, der ihm in großen Tropfen vor der Stirne stund. Mit
Anstrengung der letzten Kräfte erreichte er endlich die Zinne des
Berges, und ein schöner gerader Pfad führte zu dessen Abhange.
Mitten am Wege lag ein abgesägter Fichtenbaum und der Ueber-
rest des Stammes stund daneben, kerzengerade und aufrecht, oben
geebnet wie ein Tischblatt. Rings umher grünete Tunkagras,
Schwallenzagel und Marienflachs. Dieser Anblick war dem er-
müdeten Lastträger so anlockend und zu einem Ruheplatze so be- •
quem, daß er alsbald den schweren Korb auf den Klotz absetzte
und sich gegenüber im Schatten auf das weiche Gras streckte.
Hier übersann er, wie viel reinen Gewinn ihm seine Waare dieß-
mal einbringen würde, und fand nach genauem Ueberschlage, daß,
wenn er keinen Groschen ins Haus verwendete und die fleißige
Hand seines Weibes für Nahrung und Kleider sorgen ließe, er
gerade so viel lösen würde, um auf dem Markte zu Schmiedeberg sich
einen Esel kaufen und befrachten zu können. Der Gedanke, wie
er in Zukunft dem Grauschimmel die Last aufbürden und gemäch-
lich nebenher gehen würde, war ihm zu der Zeit, wo seine Schul-
tern eben wund gedrückt waren, so herzerquickend, daß er ihm,
wie natürlich, weiter nachhing. Ist einmal der Esel da, dachte
er, so soll mir bald ein Pferd daraus werden, und hab ich nun
den Rappen im Stalle, so wird sich auch ein Acker dazu finden,
darauf sein Hafer wächst. Aus einem Acker werden dann leicht
zwei, aus zweien vier mit der Zeit eine Hufe, und endlich ein
Bauerngut, und dann soll Ilse auch einen neuen Rock haben.
Er war mit seinen Entwürfen beinah zu Ende, da tummelte