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1. Der Bildungsfreund in den Oberclassen deutscher Volksschulen - S. 139

1843 - Altona : Schlüter
139 geschrei ihres Antonio sie auf. Sie stürzte vor die Hütte und sahe mit Beben, wie er die kleine zitternde Franziska herbei- führte, und hörte mit Erstarren, wie er von Weitem rief: „Mutter, sieh' nur, wie Franziskas Hand da blutet! Eine Natter hat sie gebissen." Ach Franziska, meine Franziska, eine Natter! Gott, warum ließ ich sie hier spielen! Hülfe! Ret- tung !" Das war Alles, was sie mit verschlungenen Armen ächzte, das war es, was sie einem eben vorüber eilenden Manne in gebrochenen Worten stammelte. „Junges Weib," sagte der Wanderer, „ich kann nicht weilen; mein Vater liegt in jenem Dorfe todtkrank; auch habe ich nur einen Rath: Seht, wo ihr einen Hund bekommt, der ihr das Gift aus der Wunde saugt, aber geschwind, geschwind! Sonst weiß ich mchts." Mit die- sen Worten ging der Mann vorüber und Clementine taumelte, wie vom Schwindel überfallen, und die Verzweiflung zuckte auf ihrem blassen Gesichte. Doch nach einem Augenblicke ward ihr Antlitz heiterer; sie erhob sich schnell und fteudig, wie wenn man Rettung sieht. „Ein Hund das Nattergift aus ihrer Wunde saugen?" sagte sie, „das wird ein Hund nicht thun, aber eine Mutter kann es, eine Mutter thut es!" und hastig zog sie ihre Tochter an sich, als ob sie von einem Ab- grund sie wegriß, und drückte die sanften Lippen auf die Wunde und sog, und sog so innig und lange, als könnte sie hundert- jähriges Leben aus dieser Wunde saugen. Indem sah Antonio den Vater sich nähern, stürzte ihm entgegen und erzählte ihm, was geschehen war und was die Mutter jetzt thue. Vor Ent- setzen erbleichte der junge Mann und wankte und hielt sich an dem nächsten Baume. „Was machst du, Vater?" rief der Knabe, und sprang auf ihn zu, als wollte er ihm helfen; aber noch ehe er ihn umfaßte, bebte er wieder zurück vor einer tod- ten Schlange, die er jetzt an des Vaters -Stab gewunden erblickte und stammelte: „Ach, die Natter war es, ja, so eine Natter hat unsere liebe Franziska gebissen!" „Nun Gottlob! Gottlob!" jauchzte der Vater; „das ist keine Natter, das ist eine unschädliche Schlange, die Niemanden tobten kann." Mit nassen Augen erreichte er die Hütte, umfaßte die Tochter mit der Mutter und schloß sie lange an seine Brust und rief mit trunkener Freude: „Böses, treffliches. Weib, wie hast du mich erschreckt! Aber Gott sei Dank, die Schlange war nicht giftig; der Herr sei gepriesen, wir bleiben noch beisammen! und deine Mutterliebe werde ich nie vergessen, und keins von deinen Kin-
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