1843 -
Altona
: Schlüter
- Autor: Burgwardt, Heinrich
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
442
Glanz' erspäht den Feind, mit grünem Schein erleuchtet es den
dunkeln Pfad. Es spielt mit dem spitzen Ohr, erfaßt den ver-
lornen Laut, stutzt und warnt seinen Reiter. Zur Seite des
schlanken, glatten Nackens fällt die seidenschimmernde Mähne.
Seine Brust, voll und weich, wie die des Schwans, stellt sich
keck der Gefahr entgegen, und der glatte Leib ruht sicher auf
festen Lenden, auf nervigen Füßen. Die eisenfesten Hufe stampfen
ungeduldig den Boden; der volle, glänzend schwarze Schweif
fließt ruhig über das gewölbte Kreuz zur Ferse nieder.
Auf des Reiters Wink springt es auf wie ein Luchs, rennt
davon, den Hals gestreckt wie ein Adler im Flug, wie ein Ad-
ler leicht, berührt es kaum die Erde, und es fliegt fein Schweif
ihm nach. Die Bäume fliehen wie Schatten vorüber. Unter
dem Hufe zerbersten die Kiesel, Funken sprühen umher. So
stürzt es mit dem Araber dem Löwen entgegen. Dieser wirft
die Mähne empor und weis't grinsend und brüllend die Zähne;
er schlägt mit dem Schweife seine Lenden. Jetzt steht er, jetzt
duckt er sich nieder zum Sprunge; da schickt ihm rasch der Jä-
ger die Lanze zu. Der Löwe achtet nicht den tödtlichen Stoß;
mit zerbrochenem Schaft in der Brust schwingt er sich dem
Jäger entgegen; da funkeln des Pferdes Augen, die Adern span-
nen sich, die Mähne fliegt, es dampfen seine Nüstern, die Mus-
keln spielen und schwellen, und zornwiehernd bäumt es sich auf,
schlägt aus; sein eherner Huf hat die Stirn des Löwen gespal-
ten und ihn zu Boden geschmettert.
Mit dem Krieger zieht das Pferd gegen den Feind, es
beißt schäumend in die Zügel, schüttelt die Mähne, scharrt den
Boden, schnaubend und wiehernd vor Kampflust. Da schmet-
tern die Trompeten, es erwartet nicht des Reiters Sporn, sprengt
entgegen den blitzenden Lanzenreihen. Es ist eins mit seinem
Führer; ein Wille beherrscht beide, ein Held sind Roß und
Reiter zusammen. Das Roß ist des Reiters Schild, es ist sein
Pfeil, mit dem er zugleich in die Reihen der Feinde trifft.
Des Rosses Mähne flattert, eine schwarze Todesfahne, dem blin-
kenden Schwerte des Reiters voran. Es steht vor der Lanze,
aber es zittert nicht, bleibt besonnen, unerschrocken und fest wie
ein Fels mitten im Rauch und im Donner des Geschützes. Nicht
das Getümmel, nicht das Sausen der Kugeln, nicht der Wun-
den und Sterbenden Klagen heißen es wanken. Ist sein Füh- ,
rer gefallen, es stellt sich in die Reihen der Genossen, es stürzt