1843 -
Altona
: Schlüter
- Autor: Burgwardt, Heinrich
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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es durchdrang auch die bürgerliche Gesellschaft nach allen Richtun-
gen. Das Meiste, was man jetzt als freies Eigenthum (Allo-
dium) besitzt, ferner Berechtigungen, Beamtenstellen, die meisten
adlichen Güter, selbst die geistlichen Aemter und Würden, ja
sogar die Städte waren Lehen des Landesherrn, die er z. B.
im letztem Fall gleichsam der Stadtcommüne übertrug. Seit-
dem nun die großem Lehen in den landesherrlichen Familien
erblich geworden waren, hatte das Recht des Lehensherrn bald
wenig mehr zu bedeuten, zumal da es auch solche Lehen gab,
auf denen gar keine Lasten hafteten. Behauptete der Lehens-
herr, daß der Eid der Treue verletzt sei, so hatte er die ganze
Familie des Vasallen mit allen ihren Verwandten und gewöhn-
lich auch das Land selber gegen sich, so daß er selten wirklich
das Lehen einziehen konnte, lleberdieß hätte ein ländersüchti-
ger Lehensherr leicht bei jeder Gelegenheit einen Treubruch be-
haupten und so die Rechte der ganzen Familie des Vasallen
vernichten können; deßhalb durfte man ihm jenes Recht der
Einziehung eben nicht zu willkürlich in Ausführung bringen las-
sen. So kam eö, daß das Lehenswesen allmälig zu einer
bloßen Form- herabsank, unter der die größere oder geringere
Unabhängigkeit der Staaten verborgen lag. Bald äußerte es sich
nur noch in der Belehnung, als einer bloßen feierlichen Forma-
lität, bei der es in der That am Ende wenig mehr daran lag,
ob sie geschah oder nicht. Endlich ist nun auch diese unterblie-
den und heutiges Tages fast überall das ganze Lehenswesen
aus unsern jetzigen Staatsverhältmssen verschwunden.
Als Margarethe die Grafen Holsteins mit Schleswig be-
lehnte, waren sie bereits längst im ungekränkten Besitz de-s Lan-
des, schon damals waren die Rechte des Lehensherrn sehr un-
wirksam. Ansprüche, welche die Königin später geltend machen
wollte, blieben unbeachtet und als sie zur Gewalt schritt, brachte
der Graf Adolf Ix. von Schauenburg, der in Holstein das
Pinnebergische besaß, dem dänischen Heer in der Schlacht
bei Eggebeck eine gänzliche Niederlage bei, am 12. August
1410. Margarethen's Nachfolger, Erich von Pommern, setzte
den Kampf zwar auf's hartnäckigste fort, 26 Jahre hindurch
ward Schleswig-Holstein durch einen erbitterten Krieg namen-
los verheert; bereits überall siegreich fiel selbst der muthige und
allbeliebte Urenkel des großen Gerhard, Herzog Heinrich, vor
Flensburg, am 4. Mai 1427. Sein Bruder und Nachfolger-
Adolf Viii. vollendete den Sieg und erreichte endlich auch die
Belehnung. Aber da Adolf ohne Kinder war, so entstand nun