1832 -
Stuttgart
: Macklot
- Autor: Selchow, Felix
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Inhalt Raum/Thema: Europäische Geschichte
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in dieser schrecklichen Einöde drangen sich die beiden hohen Ge-
birgsketten an beiden Seiten des Flusses immer naher und näher
zusammen, und bald werden sie nur noch von der von Felsen zu
Felsen schäumend sich fortwälzenden Salzach getrennt. An den
sogenannten Oe sen aber scheinen beide Gebirge vereinigt. Her-
abgestürzte große Felsenmassen füllen da die enge Schlucht, durch
die sich der Strom drängt, und haben eine große gewölbte Brücke
gebildet, die nur hier und da enge Klüfte zeigt, durch welche
man in den schauderhaften schmalen Abgrund hinabblicken kann,
in welchem die Natur jenem Bergstrome seinen Lauf angewiesen
hat. Oefters verrammelt hier das zu den Salzwerken bestimmte
Holz, das auf der Salzach herbeiaeflößt wird, dem Wasser den
engen Raum und hemmt seinen Lauf. Dann müssen sich die
Holzknechte von jenem Brückengewölbe an Stricken hinablassen
und dem Fluß wieder Luft machen.
Vorzüglich interessant wird diese Naturscene durch die unzäh-
ligen Holzbldcke, die bald in der Tiefe der schäumenden Salzach
verschwinden, bald von derselben wieder empor geschleudert und
nun von dem wilden Strome unaufhaltsam mit fortgerissen werden.
Nicht weit von den O e fe n ist der Engpaß L u e g, durch wel-
chen das südliche Gebirgsland von dem nördlichen ebenem getrennt
wird. Auf einem steilen 100 Fuß hohen Felsen hatte man hier
ein Blockhaus gebaut, das aber im Jahre 1809 zerstört wurde.
Die da vorbeiführende untermauerte und mit Geländern versehene
Landstraße ist ein Beweis des beharrlichsten Fleißes, und ein er-
freulicher Anblick für den Reisenden in dieser grauenvollen Wild-
niß. Eine geringe Anzahl alter Invaliden bewachen das Thor,
welches aus Mangel an Raum so enge ist, daß mancher zu breit
gepackte Lastwagen, um ihn durchzübringen, abgeladen werden
muß, wenn er nicht stecken bleiben will. Als im Jahre 1797
Bonaparte sich diesem Engpässe zu nähern drohete, wurde der-
selbe von östreichischen Kriegern besetzt. Wenige tapfere Soldaten
würden dieses Thermvpylä gegen das größte Heer vertheidigen
können, wenn das Gebirge nicht auf Umwegen umgangen wer-
den könnte.
Von hier aus zeigen sich erst recht deutlich die mannigfaltigen
Gefahren, denen sich die Holzknechte bei Fällung des Holzes aus-
setzen müssen. An manchen Orten werden sie an Stricken hinab-
gelassen, um so, über Abgründen schwebend, die aus den Fel-
senritzen cmporgewachsenen Lerchenbäume und Fichten zu fällen
und in den Strom zu werfen. Für einen Gulden des Tags sez-
zen sie sich aller mit dieser Arbeit verbundenen Gefahr aus, und
wähnen sich reich und glücklich dabei.
Noch eine gute Strecke läuft die Landstraße in einer sehr en-
gen unwirthbaren Gegend stets an der wild dahin tobenden Salz-
ach fort, in deren Geräusch sich das Schreien der Fuhrleute, das
Knarren der Wagen, das Wiehern der Pferde mengt, denn der