1850 -
Stuttgart
: Müller
- Autor: Hoffmann, Friedrich W.
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Der Sauf der Flüsse und Strome.
sich ein Wasserkörper niemals m einer besonderen Richtung ergießen, wo-
durch jeder Theil genau dieselbe Tiefe bekäme. Das Wasser mußte daher
nach einem Abhang geführt werden, wo es sich ansammelte und dadurch
eine abreibende Kraft erhielt. Hatte es dann einige Gewalt erhalten, so
trieb es sich von selbst vorwärts und wusch sich, besonders wenn seine
Masse bedeutend war, niit furchtbarer Gewalt von selbst einen Kanal aus.
Im Allgemeinen liegen die Mündungen der Flüsse bedeutend niederer, als
ihre Quellen. Dieß ist jedoch nicht immer der Fall, denn die Quellen
mancher großen Flüsse im europäischen Rußland liegen sehr wenig über
dem Niveau der Ostsee. Die Schnelligkeit eines Flusses hängt nicht einzig
von seinem Falle, sondern auch von seiner Wassermasse und der Triebkraft
ab, die er an seiner Quelle besitzt. Das Bett der Donau hat keinen so
großen Fall , wie das des Rheins, und doch strömt sie wegen ihrer großen
Wassermasse weit schneller. Der Fall des Amazonenstroms beträgt nur
2v Zoll auf 1000 Fuß und doch ist seine Triebkraft sehr groß; und die
Seine zwischen Valvais und Severs hat einen Fall von nur einem Fuß
a uf 66,000 Fuß ihres Laufes.
Die Flüsse können sich in das Meer oder in Seen ergießen oder im
Marschland verlieren. Ehe Lander den Niger hinab fuhr, glaubte man,
dieser Fluß verliere sich, nachdem er eine ungeheure Länderstrecke durch-
laufen, in Morästen; dagegen hat Sturt bewiesen, daß dieß das Schicksal
vieler australischer Flüsse sey. Einige Flüsse ergießen sich in Seen, wie
z. B. diejenigen, welche in das kaspische Meer, und der Murray,
welcher sich in den See Alerandrina ergießt. Aber bei weitem die größste
Anzahl Flüsse mündet sich in das Meer, und die durch das Vermischen
der Gewässer, von denen jedes seine eigene Triebkraft mitbringt, entstehen-
den Phänomene sind oft höchst merkwürdig. Ist die Mündung eines
Flusses breit, so kann er sein Wasser ruhig in das Meer ergießen; ist sie
dagegen eng, so erfolgt ein heftiger Krampf zwischen der Fluth des einen
und der Strömung des andern. Diesem Umstand sind wohl die Sand-
bänke zuzuschreiben, welche sich häufig vor den Mündungen großer Flüsse
bilden. Reisende haben erzählt, welch ein furchtbares Schauspiel sich er-
hebe , wenn die Fluth des atlantischen Meeres mit der Strömung des
Amazonenflusses zusammentreffe. Es sey wie der Zusammenstoß zweier
Niesen, die Erde erzittere bei dem Getöse der Wellen und der Mensch
fliehe entsetzt von dieser Scene hinweg.
Einige Flüsse haben nur eine einzige Verbindung mit dem Meere, an-
dere ergießen sich durch mehrere Kanäle in dasselbe. Der Ganges hat nicht
weniger als acht solcher, von denen jeder in einer gewissen Periode der
Hauptstrom gewesen zu seyn scheint. Dieser mächtige Strom nimmt das