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1863 -
München
: Königl. Central-Schulbücher-Verl.
- Autor: Solereder, Ludwig
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
39
31. Der gute Sohn.
Ein Edelknabe, Namens August, hatte in dem Vorzimmer
des Königs die Nachtwache. Der König konnte nicht schlafen
und klingelte, um sich ein Buch bringen zu lassen.
Allein August war fest eingeschlafen und hörte es nicht.
Der König klingelte öfters und immer stärker, aber vergebens.
Endlich kam er selbst aus seinem Schlafzimmer heraus in das
Vorzimmer.
Der noch zarte Jüngling saß in tiefem Schlafe an einem
Schreibtische, auf dem ein brennendes Kerzenlicht stand; ein
Brief, den er noch nicht ganz zu Ende geschrieben hatte, lag
vor ihm.
Der König las den Brief, der so anfing: Liebste Mutter!
Es ist heute bereits die dritte Nacht, daß ich für die andern
Edelknaben die Nachtwache übernommen habe. Ich kann es
beinahe nicht mehr aushalten. Aber wie freue ich mich, daß
ich auf diese Art seit einigen Wochen her zehn Thaler verdient
habe. Ich schicke sie Ihnen, damit Sie in Ihren dürftigen
Umständen einige Erquickung finden mögen.
Der König war innig gerührt über die kindliche Liebe
dieses Jünglings. Er holte eine Nolle Goldstücke und steckte
sie dem guten Sohne in seine Rocktasche. Der König war
überzeugt, August werde das Geschenk seiner Mutter schicken
und begab sich wieder zur Ruhe.
Als der Edelknabe erwachte und in seiner Rocktasche das
Gold fand, merkte er wohl, wer ihn so reichlich beschenkt habe.
Sobald Morgens der König ans seinem Schlafzimmer heraus
kam, fiel August ihm zu Füßen, dankte ihm für das reiche
Geschenk und bat wegen seines Fehltrittes um Verzeihung.
Der König aber sprach: „Sie sind ein guter Sohn! In
Zukunft werde ich für Ihre Mutter sorgen!" — Von nun
an setzte der König großes Zutrauen in August und beförderte