1836 -
Stuttgart
: Scheible
- Autor: Hoffmann, Karl Friedrich Vollrath
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Niederdeutsche Mundarten. 673
Keine rein-niederdeutsche Mundart hat die scharfen Blaselaute des
Oberdeutschen: pf, ch, z, ß *); dagegen lieben alle die sanften Hauche
w, v, j. Der ganze Konsonantenbau steht in einem bestimmten Verhält-
nisse zum Hochdeutschen. So wird in der Zungenlautreibe z und ß in
der Regel zu t; t wird zu d; d aber wird in einer Menge Fällen ganz
weggeworfen; z. B. Vaer, Boer, Moer (Mutter), Nael, Kinner,
Grünn. Das Verhältniß zum Hochdeutschen wäre also folgendes:
Hochdeutsch. Holländisch.
Zunge Tonge.
zähmen temmen.
Zorn Toorn.
Zunder Tondel.
zeugen tuigen.
Schatz Schat.
Schmutz Smout.
groß groot.
Tag Dag.
Zeit Tyd.
Blatt Blad.
Schritt Schred.
Feder Feer.
nieder neer.
Leder Leer.
Ader Aar.
Dasselbe tritt bei den Gaumlauten ein. Ch wird hier meist zu k;
z. B. Boek, gelyk (gleich), Spraak, zoeken (suchen), ziek (siech),
k wird nun in der Aussprache zu g, jedoch k in allen niederdeutschen
Mundarten geschrieben; aber ein niederdeutsches Köper (Kupfer) kort
(kurz), Koren (Korn) Kleed lautet ungefähr wie ein oberdeutsches
Goper, gort, Gorn, Gleed lauten würde. Das niederdeutscheg
nimmt nun in der Mitte und am Ende nach Vokalen, und am Anfange
vor e, i, ei einen zwischen g, ch und j in der Mitte liegenden Laut an;
Dag, Slag, Weg lauten ungefähr wie Da ach, Slaach, Weech,
Und geben, Gift, Geist wie jeben, Jift, Jeist, aber doch dort nicht
so stark wie ch, hier nicht so sanft wie j. Die älteren niederdeutschen
Schriftsprachen schreiben dieses g als gh; in der folgenden Probe bleiben
tvir bei der jetzt einmal gewöhnlichen Schreibart.
Die rein-niederdeutschen Mundarten sind ohn'e Widerrede weit ge-
ödeter, geschmeidiger, wohlklingender und reicher als die oberdeutschen.
*) Die niederdeutsche Schrift hat zwar ein ch, es lautet aber viel sanfter
als das oberdeutsche, und mehr dem j ähnlich.
Hoffmanns Deutschl. u. s. Bew.
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