1. Bd. 6
- S. 194
1846 -
Braunschweig
: Westermann
- Auflagennummer (WdK): 13
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1812
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Mittelalter
- Geschlecht (WdK): Jungen
- Konfession (WdK): offen für alle
194 Erstes Kap. Bürgerlicher Zustand.
meisten edlen und vieler fürstlichen Geschlechter. Schreckliche Eide verbanden
die „Wissenden" zum Geheimniß, so wie zum unbedingten Gehorsame.
Unter dem Schleier der Nacht wurden die Ladungen angeschlagen, welchen
auch Fürsten zitternd gehorchten, und die Urtheile gefällt, gegen welche keine
Gnade und keine Berufung ^alt. Wer von der Vchme geächtet war, mochte
den allgegenwärtigen Henkern derselben kaum durch ein Wunder entrinnen.
Aber heimlich, ohne Ncchtsform — also den Meuchelmord ähnlich und Meuchler
begünstigend — geschah die Hinrichtung.
Wie so vieles Andere im Mittelalter, also mag auch die cntsezliche Vehme,
als Gegenmittel noch größeren llebels, von heilsamer Wirkung gewesen seyn.
Die Schrecken des unsichtbaren Gerichtes ersezten die Schwäche der ordentlichen
Tribunale, und waren ein Damm gegen die barbarische Leidenschaft und
frevelhafte Gewalt. Doch mögen ungeheuere Verbrechen unter dem Deckmantel
der heimlichen Acht verübt worden seyn *), und die Macht dcs verborgenen
Bundes hätte leicht zu verderblicher politischer Umkehrung können mißbraucht
werden. Die Furcht vor der Vehme hat übrigens den Beitritt zum allgemeinen
Landfrieden und die Einrichtung der ordentlichen Gerichte wirksam befördert.
Sie selbst wurde unnöthig und bedeutungslos durch Beides; daher sic auch
bald nachher aufhörte.
8- 20. Der Landfriede.
Dieser längst gewünschte, allgemeine und ewige Landfriede, welcher
dem unerträglichen, in Teutschland weiter als irgendwo sonst getriebenen,
auch hartnäckigeren Unwesen der Befehdungen endlich ein Ziel sczte, war
das Werk des edlen Maximilian I., welcher auf seinem ersten Reichstage zu
Worms am 7tcn August 1493 denselben feierlich verkündete und an demselben
Tage, zur friedlichen Pflege des Rechtes, ein ständiges Reich skammergericht
an die Stelle des bisherigen unstäten und wenig geachteten Hofgerichtcs
cinsezte. Beides hatten die Stände selbst verlangt. Die Fortschritte der
Eivilisation einerseits, welche nach Lebensgenuß begierig machte und Ideen
des Rechtes einschärfte, anderseits die Abneigung der Edlen gegen die neu
*) Ein strenges Urtheil fällt über die Vehme der hefscnkassel'sche Geb. Rath Ko pp in
seiner, 1794 in Göttiugen darüber heransgegebenen, gehaltreichen Schrift. Bergt, anch die
Schriften über die Vchmge.richte von Mq. Freher, Kindlinger, Hutter n. ?I.