1. Bd. 7
- S. 46
1846 -
Braunschweig
: Westermann
- Autor: Hermes, Karl H., Rotteck, Karl von
- Auflagennummer (WdK): 13
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1812
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Neuzeit
- Geschlecht (WdK): Jungen
- Konfession (WdK): offen für alle
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Zweites Kap. Entdeckung Amerika's
Auch die Gebirge Amerika's scheinen nach einem größeren Maßstabe
gebaut, als jene der alten Welt. In unabgebrochener Reihe ziehen die hohen
Cordilleren vom Kap Horn und vom Feuer land an durch ganz Süd-
und Nordamerika bis zur Behrings-Straße, mitunter in zwei bis drei
neben einander laufenden Ketten und selbst unter der Linie mit ewigem Schnee
bedeckt. Zwar haben neuere Reisende einigen Bergknppcn Asiens, zumal
jenen von Tibet, eine noch größere Höbe zugeschrieben, als den Häuptern
der Anden: doch sind die Beweise noch unzulänglich; und noch immer mö-
gen wir den Chimborasso, von 20,138, den Cotopaxi von 17,712 und
den An tisana von 17,938 Fuß Höhe als die erhabensten Punkte der Erde
betrachten. Der St. Gotthard, ans den Gipfel des Pico de Teneriffa
gestellt, würde solche Höhe nicht erreichen. Mehrere vulkanische Berggipfel in
Mexiko, als der Popoca-Tepetl, der Jztaccihnatl, der Citlal-
Tepetl n. a., welche gegen 3000 Toisen messen, kommen den Cordilleren
in pinito nahe; uns erscheint ihrer aller Erhabenheit um so größer, da sie
nicht also, wie die Hochgebirge des alten Continents, durch mehrere Ab-
stufungen von Mittel- und Vorgebirgen allmälig zu den Flächen sich hcrab-
senken, sondern gleich Thürmen auf einem fortlaufenden, hohen Erdrücken
stehen, welcher unmittelbar und in einem jähen Abstürze die umgebenden tie-
fen Ebenen begrenzt. Solcher Ebenen von ungeheuerer Ausdehnung und nach
den Zonen von sehr verschiedener Natur hat Amerika eine überraschende Menge.
Hart an die großen Bergrücken von Peru und Mexiko grenzen die unüber-
sehbaren Flächen, welche der Orinoko, der Marannon, der Parana und
der Missisippi bewässern; die Lianos von Carracas, welche je nach den
Jahreszeiten dem Aug' eine unermeßliche Grasflur oder eine dürre Steppe
oder ein Meer der überfließenden Gewässer darbieten; die Pampas, welche,
nur von niederen Sandhügeln durchzogen, viele Tagreisen lang und breit
ihre einförmige Fläche zeigen; die Savannen am Missouri, mit schwerdnrch-
dringlichtn Rohrwiesen bedeckt und von zahllosen Hecrden wilder Ochsen be-
völkert, und viele andere.
Aus dieser Eigenthümlichkeit der Berg- und Flächen-Bildung Amerika's
erklären sich mehrere andere besondere Erscheinungen. Die kalte, die gemä-
ßigte und die heiße Zone finden sich hier vielfach in allernächster Berührung;
und während man selbst unter dem Aeqnator die Linie des ewigen Schnees
und, dieselbe begrenzend, Alpenkrauter und Flechten gewahrt, während man