1. Bd. 8
- S. 34
1846 -
Braunschweig
: Westermann
- Autor: Hermes, Karl H., Rotteck, Karl von
- Auflagennummer (WdK): 13
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1812
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Neuzeit
- Geschlecht (WdK): Jungen
- Konfession (WdK): offen für alle
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Zweites Kap. Die Zeiten Ludwig's Xiv.
Gegenbestrebungen Schwedens und Frankreichs. Dieser Monarch, neben
Oestreich auch Böhmen und Ungarn beherrschend, und nur im lcztern
durch bedeutende Freiheiten der Stände beschränkt, hätte schon durch seine
Hausmacht imponiren mögen; seine Stellung als teutscher Kaiser, wenn
er sie weise benüzte, gab ihm, troz der Erschlaffung des Neichsoerbandes,
immer noch ansehnliche Hilfsmittel; und cs lag in seiner Schale, neben dem
Gewichte verschiedentlich wechselnder oder minder bedeutender Allianzen, noch
die ganze Macht des weitgebietendcn, durch Familienbande, wie durch Staats^
Interesse an Oestreich gefesselten Spanien.
Aber so große Massen, so verschiedenartig nach Bestandtheilen, Berüh-
rungen, Interessen und Hilfsquellen, bedurften desto mehr eines starken Gei-
stes, der sie belebend durchdränge, und als gemeinsame Seele sie zum Ganzen
einte. Solcher Geist war Leopold nicht. Arm an eigenen Ideen, blos her-
gebrachten Formen und überlieferten Maximen anhängend, das „Belassen
beim Alten" als Summe der Staatskunst achtend, ein lenksames Werkzeug
untreuer Minister und böser Pfaffen, lichtscheu, thatlos, vor der Kezere
mehr, als vor Ludwig's Waffen, vor der Freiheitslust der Unterthanen mehr,
als vor den siegenden Türken bang, den Beichtvater als ersten Rath, die Je-
suiten als Männer dcs Heils verehrend, träumte Leopold sanft von seines
Hauses unwandelbarer Größe, oder überließ die Sorge dafür seinen Alliirten
und dem Himmel, während sein Gegner rastlos, kühn und schlau seine eigene
auf Unkosten Oestreichs baute.
Das deutsche Reich hinderte ihn daran wenig; es diente ihm vielmehr
— Dank der Schwäche seines Hauptes, der Selbstsucht seiner Stände und
der Erlöschung des Nationalsinnes, wie der Nationalfreiheit — zum willkom-
menen Schauplaze des Krieges und zu dessen Beute. Der wcstphälische
Friede hatte die Landeshoheit der Fürsten befestigt; selbstständig gegenüber
dem Kaiser und Reich, begehrten sie jezt auch unumschränkt zu werden über
ihre Völker und Landstände. Schon hatte der Reichstag von 1633, der lczte,
welchen Kaiser Ferdinand Iii. versammelte, den Fürsten das Recht verlier
8. Juni 1638 Statt. Sein älterer Bruder Ferdinand, dessen Wahl zum römischen König
der Vater 1633 bewirkt hatte, war noch vor Diesem gestorben (am 29. Juni 1634).
§. 3. Verfassung Deutschlands.