1846 -
Braunschweig
: Westermann
- Autor: Rotteck, Karl von
- Auflagennummer (WdK): 4
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1812
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Neuere Geschichte
- Geschlecht (WdK): Jungen
- Konfession (WdK): offen für alle
Die Rückschritte der polit. Entwicklung in Deutschland. 33
keinen Augenblick nachließ und als sie in diesem Bestreben von den Landtagen
der Jahre 1823/24 und 1826/27 auf das Redlichste unterstützt wurde.
Eine ganz andere Stellung, als in Würtemberg, wo die Volksvertretung
in allen wesentlichen Punkten mit der Negierung einverstanden war, nahm
dieselbe der Negierung gegenüber in dem benachbarten Großherzogthume Ba-
den ein. Großherzog Karl, der seinen Unterthanen mit der ihnen verliehenen
Verfassung ein wohl nicht ganz freiwilliges Geschenk gemacht hatte, war da-
hin geschieden, ehe dieselbe durch Einberufung der Stände in das Leben tre-
ten konnte. Sein Oheim Ludwig, der ihm auf dem Throne folgte, war ein
feingebildetcr, aber in seinem ganzen Wesen durch den altsranzösischcn Hoston
beherrschter Fürst, der für das Volk so wenig ein Herz als für Volksfreihcit
Sinn hatte. Im Anfange seiner Regierung scheint er das Bedürfniß gefühlt
zu haben, sich eine gewisse Volksbcliebtheit zu verschaffen. Selbst das Adels-
edict vom 16. April 1819, obwohl es bei der Mehrheit des Bürgcrstandes
großes Mißvergnügen hervorrief, war doch kcincswegcs darauf berechnet, die
hochgespannten Ansprüche der Aristokratie zu befriedigen. Wenige Tage nach
der Bekanntmachung dieses Edicts, am 22. April, wurde der Landtag eröff-
net. Die Regierung war sichtlich bemüht, sich mit dem in der zweiten Kam-
mer vorwaltenden freisinnigen Geiste zu versöhnen. Die von ihr selbst aus-
gehenden Anträge auf Abschaffung der Frohnen, wie auf die Loskaufung der
Landgemeinden von der Erbunterthänigkeit, legten dies auf unzweideutige
Weise an den Tag. Diese Zugeständnisse, so dankcnswerth sie als ein erster
Schritt auf dem Wege der Verbesserung waren, blieben dennoch weit hinter
den Forderungen und Erwartungen der freisinnigen Männer zurück, die aus
allen Theilen des Landes in der Abgeordnetenkammer zusammengetreten waren.
In Baden hatten mehr, als in irgend einem andern deutschen Lande, jene
Grundsätze des Liberalismus, die in dem benachbarten Frankreich sich aus
dem Kampfe zwischen der Nation und einer durch fremde Gewalt aufgedräng-
ten Negierung entwickelten, Eingang gefunden. Alle Forderungen, die in
Frankreich von der liberalen Partei erhoben wurden, um die für wünschens-
wcrth erachtete Bürgschaften konstitutioneller Freiheit zu erlangen, wurden
auch in der badischen Abgeordnetenkammer geltend gemacht. Da wurde ein
Antrag auf Preßfreiheit gestellt, der, durch siegende Gründe unterstützt, aus
allen Seiten den lebhaftesten Beifall fand; cs wurde ein Gesetz über Ver-
antwortlichkeit der Minister beantragt, und eine Menge ähnlicher gleich wich-
v. Rotteck, allg. Gesch. Xi. Hermes' Suppl. Ii. 3