1846 -
Braunschweig
: Westermann
- Autor: Rotteck, Karl von
- Auflagennummer (WdK): 4
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1812
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Neuere Geschichte
- Geschlecht (WdK): Jungen
- Konfession (WdK): offen für alle
203
Der russische Türkenkrieg.
und dem Ansehen zu umgeben, welche derselbe in den Tagen Lugwigs Xiv.
besessen hatte. Wohin er aber immer die Blicke wenden mochte, um den
französischen Einfluß geltend zu machen, hatte überall bereits Oesterreich festen
Fuß gefaßt. Oesterreich gebot in Italien von den Alpen bis zum Golf von
Tarent, und in dem deutschen Bunde hatte Oesterreich selbst über Preußen
ein entschiedenes Uebergewicht, das für französische Ränke nirgend den ge-
ringsten Raum ließ. Am empfindlichsten war dem französischen Hofe, daß auch
zu Turin, unmittelbar an den Thoren Frankreichs, der österreichische Einfluß
jede Mitbewerbung ausschloß. Die Stimmung, die eine natürliche Folge dieser
Thatsache war, wurde auf geschickte Weise benutzt, um einem Gerüchte Eingang
zu verschaffen, welches Oesterreich darauf hinarbeiten ließ, den Prinzen von
Carignan, der seine früheren rcvolutionairen Verirrungen durch seine Theil-
nahme an dem spanischen Feldzuge unter dem Herzog von Angoulème gebüßt
hatte, vom sardinischen Throne auszuschließen, weil derselbe der Hinneigung
zu Frankreich verdächtig war. Zu dieser politischen Eifersucht, die allein hin-
reichend war, das Cabinet der Tuilerien dem österreichischen zu entfremden, kam
noch eine zwar grundlose, aber deshalb nicht weniger mächtig wirksame Bcsorgniß,
die, durch treulose Einflüsterungen genährt, eine Quelle nicht bloß des Miß-
trauens, sondern des entschiedensten Hasses zu werden drohte. Der Sohn
Napoleons, der Herzog von Reichstädt, wurde zu Wien erzogen; Kaiser Franz
gab ihm vielfache Beweise persönlichen Wohlwollens, hielt aber Alles von ihm
entfernt, was Gedanken des Ehrgeizes in ihm erwecken konnte. Dennoch blieb
er der Erbe des väterlichen Ruhmes, und die Möglichkeit war allerdings denkbar,
daß einst Umstände eintreten konnten, die ihm gestatteten, auch auf ein
anderes Erbe Anspruch zu erheben. Nichts war leichter, als dem schwachen
Gemüthe Karls X. als wirklich erscheinen zu lassen, was doch nur eine weit
entfernte Möglichkeit war.. Der Starke glaubt gern, was er hofft, der
Schwache, was er fürchtet. Karl X. wurde überredet, daß österreichische Send-
linge in Frankreich bemüht wären, die napoleonischen Erinnerungen zurückzu-
rufen und ihren Schimmer in der Meinung der Nation auf den Herzog von
Reichstädt zu übertragen. Der Herzog von Wellington kannte die Stimmung,
die in den Tuilerien gegen Oesterreich herrschte; er hütete sich daher wohl,
dem französischen Cabinctte Vorschläge zu machen, die eine Aufforderung zu
gemeinschaftlichem Handeln mit Oesterreich gegen Rußland enthalten hätten,
sondern schlug einen andern Weg ein, von dem er hoffte, daß er gleichfalls