1846 -
Braunschweig
: Westermann
- Autor: Rotteck, Karl von
- Auflagennummer (WdK): 4
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1812
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Neuere Geschichte
- Geschlecht (WdK): Jungen
- Konfession (WdK): offen für alle
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Drittes Hauptstück.
Wesenheit der Vertreter von Europa in der öffentlichen Meinung haben
werde. Graf Pozzo di Borgo cntgcgncte, daß kein Grund vorhanden seh,
einen Schritt dieser Art zu thun. Da von Seiten des Ministers der aus-
wärtigen Angelegenheiten keine amtliche Anzeige erfolgt wäre, so sch anzu-
nehmen, daß man von den Ereignissen keine Kenntniß habe; um Sr. Maje-
stät dem Könige Karl X. zu folgen, müsse man vorher zu seiner Person
berufen werden. Der. österreichische Bevollmächtigte Graf von Apponyi war
von Paris abwesend; der preußische und der brittische Botschafter schlossen sich
der Ansicht des russischen an. Zuletzt kam man beinahe einstimmig überein,
nichts zu übereilen, sondern den Verlaus der Ereignisse zu erwarten*).
Auf diesen Entschluß der Diplomatie war Fürst Talleyrand nicht ohne
Einfluß geblieben. Er stand mit dem Grafen Pozzo di Borgo in vertrauter
Verbindung und hatte diesen leicht überzeugt, daß das Interesse der euro-
päischen Mächte nichts anderes erheische, als daß in Frankreich eine feste re-
gelmäßige Negierung hergestellt und daß den bestehenden Verträgen eine un-
zweideutige Anerkennung und Bestätigung gesichert werde. Beide Bedingun-
gen zu erfüllen, schien dem greisen Diplomaten nur der Herzog von Orleans
geeignet; er erinnerte daran, daß dieser schon nach den hundert Tagen in
Vorschlag gebracht worden seh. Wenn damals die Cabinctte ihn zurückge-
wiesen hätten, so sch die Ursache darin zu suchen, daß die Ereignisse noch
nicht zur Reife gekommen waren; man habe die Legitimität aufrecht erhalten
wollen, bis die Thorheiten Karls X. zugleich diesen Grundsatz bloßgcstcllt
und den Frieden von Europa gefährdet hätten. Von dem Fürsten Talley-
rand war der Gedanke ausgegangen, den die Commission der Abgcordnctcn-
kanimer sich angeeignet hatte, den Herzog von Orleans zum Generalstatt-
halter des Königreiches zu ernennen) weil dadurch noch nichts unwiderruf-
lich entschieden und doch der Uebergang von der alten Regierung zu einer
neuen vorbereitet wurde.
Der Herzog von Orleans war kaum im Palais Royal eingetroffen, als
er den Fürsten Talleyrand und andere Männer von politischer Bedeutung um
sich vcrsanimelte, um mit ihrem Beirathe einen festen Entschluß über das Ver-
fahren zu fassen, welches unter den obwaltenden Umständen einzuschlagen
sey. Die ganze Nacht verging über diesen Berathungen, da alle Fälle
*) Capefigue, l’Europe. T. Ii. pag, 133 f. Polignac, ötudes. T. Ii. pag. 96 f.