1. Bd. 2
- S. 240
1863 -
Stuttgart Calw
: Vereinsbuchh. [u.a.]
- Autor: Redenbacher, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Höhere Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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Vii. Das dnilschc Reich.
Laudestheil wie eigene Gebieter, obwohl der Kaiser, wo
er persönlich zugegen war und überhaupt, wo er wollte,
überall eingreifen und man auch jederzeit an ihn appel-
liren konnte, was jedoch begreiflicherweise nicht zu oft
geschah. Es war dieses Verhältniß allerdings naturge-
>uäß, weil das deutsche Volk sich in verschiedene Stämme
schied, und jeder Stamm am liebsten seinen eigenen »ud
angestammten Fürsten hatte; aber freilich wurde es dabei
dem Kaiser schwerer zu regieren, als wenn die Fürsten
nur die Präsidenten seiner Regierung gewesen wäre»,
und um so schwerer, da diese immerzu nach unbeschränk-
ter Eigenmacht zu trachten pflegten. Indessen wußten
die kräftigen Sächsische» Herrscher doch ihre Vasallen in
gehörigem Gehorsame zu halten; ja sie erneuerten ge-
wissermaßen Karls des Großen Scndgrafen, — sie
übertrugen ihren Pfalzgrafen, welche ursprünglich die
obersten Hofrichter waren, das Geschäfte, nebe» der Ver-
waltung der unmittelbaren kaiserlichen Güter und Rechte
im Reich auch Aufsicht über die F ü r st c n z u hal-
ten. Und obgleich es gewöhnlich war, daß letztere
ihre Fürstenthümer auf ihre Kinder vererbten, so ließen
sie es doch nicht als ein Recht gelten, sondern ver-
gaben oftmals die erledigten Lehen nach freiem Belieben
auch an Andere.
Es kamen aber neben den weltlichen die geistlichen
Herren immer mehr empor. Kaiser, Fürsten und Ge-
ringere schenkten den Stiftern und Klöstern viel, weil
man das für ein Gott besonders wohlgefälliges Werk
ansah. Weite Landstrecken wurden „der Kirche Gottes"
zugewendet, namentlich von Sterbenden vermacht. Die
geistlichen Herren waren aber auch selbst sehr eifrig dar-
auf, ihr Besitzthum durch Kauf und sonst zu vergrößern.
So geschah es, daß Bischöfe, auch Aebte, ganze Graf-
schaften erlangten, ja daß solch ein Herr öfters meh-
rere Grafschaften in seinem Stifte vereinigte. Und dazu
verschafften sie sich nun allgemein alle Fürstenrechte, daß
sie darin volle Gerichtsbarkeit übten, Beamte einsetzten,