1. Bd. 1
- S. 366
1860 -
Calw Stuttgart
: Vereinsbuchh.
- Autor: Redenbacher, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
366
X. Das römische Weltreich.
Schaar über die Volkspartei her. Und wie das Volk
ist, schnell in Hitze versetzt, doch nicht Stand haltend, —
es ließ nach kurzem Kampf seinen Führer im Stich und
lief davon. Tiberins Gracchus wurde mit Knitteln
todtgeschlagen; 300 seiner Anhänger fielen mit ihm. Und
nicht einmal ein ehrliches Begräbniß verstattete man ihm;
man warf sie alle als Vaterlandsverräther in die Tiber. 132.
Als das Volk wieder frischen Muth geschöpft hatte,
geberdete es sich indessen entsetzlich wild und wüthend,
so daß der Senat es nicht wagte, das einmal angenom-
mene Ackergesetz für ungiltig zu erklären. Vielmehr ließ
er erwählte Männer zur Anstheilung des Landes schrei-
ten. Allein bei der Ausführung zeigten sich begreiflicher-
weise die allergrößten Schwierigkeiten, und die Sache
kam baldigst in's Stocken.
Etliche Jahre später griff jedoch der jüngere Bruder
des Erschlagenen, Cajns Gracchus, das Werk auf's
Nene an. Er war ganz gleichen Sinnes mit dem Tibe-
rius, nur noch kräftigeren Geistes, aber auch noch lei-
denschaftlicher als dieser. Und bei ihm gesellte sich zum
Eifer für des Volkes Wohl auch noch die Begierde, den
Bruder zu rächen. Das Volk setzte jetzt all sein Vertrauen
auf ihn; und sie erhitzten sich gegenseitig immer mehr.
Da gab's Frevel. Der hohe Scipio Aemilianus
Afrika uns Numantinns, welcher mit den Gracchen
nahe verwandt war, batte sich doch ans Abscheli vor der
immer steigenden Frechheit des Pöbels gegen ihre Sache
erklärt; er ward eines Morgens todt im Bette gefunden,
und es ist nur zu wahrscheinlich, wurde auch bestimmt
angenommen, daß er von der Volkspartei ermordet wor-
den sei.
Als nun Cajns Gracchus trotz aller Gegenwirkung
der Aristokraten zum Volkstribun erwählt worden war,
bemühte er sich mit der größten Heftigkeit, nicht nur seines
Bruders Unternehmen zur völligen Ausführung zu bringen,
sondern auch noch mehrere, ganz revolutionäre Aenderungen
tn's Werk zu setzen. Seine Mutter Cornelia warnte ihn