1861 -
Hildburghausen
: Nonne
- Autor: ,
- Hrsg.: Spiess, Moritz, Berlet, Bruno
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Realschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Holde. In den 12 Nächten i) hält sie allein oder begleitet von Weibern,
die gleich ihr auf Thieren reiten, einen Umzug und weilt gern bei dem
stillen Glück der Bewohner; in dieser Zeit darf nicht gesponnen werden,
sonst verwirrt und besudelt sie den Wocken. Dazu kam ein Heer von El-
fen, Nixen. Feen, Schwanjungfrauen, Zwergen, Wichten und
Kobolden, welche als untergeordnete göttliche Wesen über und in der
Erde, in Wasser und Lust, in Feld und Wald, in Haus und Hof schal-
teten. Viel hielten die Deutschen auf Weissagungen und Vorbedeutungen.
In geheiligten Hainen fütterte man weiße Rosse, deren Wiehern bei einem
beabsichtigten Unternehmen als göttliche Zustimmung angesehen wurde. Auch
gewisse Vögel, wie der Rabe, die Eule und der Kukuk galten als schicksal-
verkündend — ein Aberglaube, der sich bis in die neueren Zeiten hinauf
erhalten hat. Namentlich traute man den Frauen Prophetengabe zu. Man
hielt sie für besonders geschickt, aus den Runen (Zauberstäbe) die Zukunft
zu enthüllen. Berühmte Seherinnen wohnten einsam in Wäldern, auf ei-
nem eingehegten Platze (Hag) und wurden deshalb Hagessen genannt, wo-
her der Name Hexen stammt.
Drei Feste, die mit dem Wechsel der Jahreszeiten zusammenhingen,
wurden von allen Germanen begangen. Dies waren das Iulfest um die
Zeit des kürzesten Tages, die Frühlings fei er bei Eintritt der (Früh-
lings-) Tag- und Nachtgleiche und das Fest der Sommersonnenwende
am längsten Tage des Jahres. Zu Ehren der Götter loderten an diesen
Tagen aus den Bergen helle Feuer empor, ein Brauch, der sich an man-
den Orten erhalten hat, wenn auch die heidnischen Festtage längst mit
chem Weihnachts-, Oster- und Johannisfest vertauscht worden sind.
Der Glaube an ein ewiges Leben nach dem Tode war unter den
Deutschen allgemein verbreitet; doch schmückten sie sich dasselbe aus ihre .
Art sinnlich aus. Nur denen, welche im Kampfe fielen, wurden die Pfor-
ten des Himmels, Walhalla's Pforten, geöffnet. Wer eines natürlichen
Todes gestorben, mußte als stummer Schatten hinabwandern in die Un-
terwelt, in das Reich der bleichen Hela. Da gab es weder Kampf, noch
Spiel, noch Trank. Es war ein trauriger, freudenleerer Ort. Ganz an-
ders erging cs den erschlagenen Helden! Sie schwebten hinauf nach Wal-
halla, der großen, güldenen Stadt mit 500 Thoren und 50 Pforten. Hier
wartete ihrer ein herrliches Leben: ihren liebsten Gewohnheiten konnten sie
folgen, ihre Lieblingswünsche erfüllen. Täglich ritt Wodan mit ihnen hi-
naus vor die Thore der Stadt. Dort tummelten sie ihre Rosse und er-
götzten sich an ernstem Kampfspiel. Sie warfen mit Speeren nach einan-
der und theilten so gewaltige Hiebe aus, daß Arme und Beine umherflo-
gen. War aber der Kampf beendet, so waren alle Wunden wieder heil;
frisch und gesund zog man zur Stadt zurück, um sich an wohlbesetzter Ta-
fel zu laben. Die Helden aßen ihr Lieblingsgericht, den duftenden Eber-
braten, und tranken in langen Zügen köstlichen Meth, den kriegerische Jung-
frauen, Walküren 2) genannt, in großen Trinkhörnern herumreichten.
’), Die zwölf Nächte dauern vom 2!. Dezember bis 6. Januar, von der al-
lerheiligsten Nacht bis zum Dreikönigsfest.
s) Sie luden auch die sterbenden Helden nach Walhalla ein, daher ihr Name