1861 -
Hildburghausen
: Nonne
- Autor: ,
- Hrsg.: Spiess, Moritz, Berlet, Bruno
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Realschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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tu ihrer Sterbestunde besprengen ließen. Die Engländer schifften sich in
Marseille *), die Franzosen in Genua ein (1190). In Messina vereinig-
ten sich beide Könige wieder. Schon hier entzweite Eifersucht und Na-
tionalhaß die Könige und ihre Heere. Sie mußten darum einen ganzen
Winter auf Sizilien bleiben. Noch größer wurde der Zwiespalt, als sie
im folgenden Jahre (1191) bei der Stadt Akkon landeten, welche die
Türken noch immer hartnäckig vertheidigten. Die Neuangekommnen schlossen
sich dem Belagerungsheere an und trafen die Bestimmung, daß den einen
Tag die Engländer und den andern Tag die Franzosen stürmen sollten.
Dieser Wetteifer der beiden Völker brachte die Einwohner in solche Noth,
daß sie sich aus einen Vertrag hin endlich (am 13. Juli 1191) ergaben.
Es wurde ihnen freier Abzug gestattet, wobei sie jedoch außer ihren Klei-
dern nichts von ihrer Habe mitnehmen durften; zugleich sollte der Sultan
Saladin beiden Königen 200,000 Ducaten für die Lösung der Gefange-
nen auszahlen. Nun strömten die Christen von allen Seiten in die Stadt.
Richard und Philipp August pflanzten ihre Fahne auf die Thürme und
theilten unter sich die Quartiere, die Güter und die Gefangenen. Als
aber der Herzog Leopold von Oesterreich, der nach dem Tode Frie-
drichs von Schwaben die Anführung der deutschen Truppen übernommen
und sich bei der Belagerung sehr ausgezeichnet hatte, die Reichsfahne auf
einen Thurm steckte, ließ der stolze Richard sie herunterreißen und in den
Koth treten. Der Herzog war zum Widerstande zu schwach, verschob die
Rache und nahm sein Lager vor der Stadt.
Auch Philipp August fand den Hochmuth Richard's unerträglich und
schiffte sich, zumal ihn der englische König an Tapferkeit überstrahlte, bald
wieder ein. Damit es aber nicht schiene, als wolle er der gemeinsamen
Sache abtrünnig werden, so ließ er den größten Theil der französischen
Pilger unter Anführung des Herzogs von Burgund vor Akkon zurück.
Auch gelobte er vor der Abfahrt mit einem Eide, daß er in Richard's
Abwesenheit diesem nicht nur keinen Schaden zufügen, sondern ihn sogar
gegen Andere vertheidigen wolle.
Richard rückte nun weiter vorwärts und erfüllte das ganze Morgen-
land mit dem Ruhm seiner Thaten. Während die Christen Joppe *) be-
festigten, ergötzte er sich oft, nur von Wenigen begleitet, an der Falken-
jagd. Dabei gerieth er einst in einen türkischen Hinterhalt. Wie ein
Rasender hieb Richard um sich, allein seine Begleiter waren schon bis auf
einen gefallen und der Feinde waren noch viele. Da rief jener Eine —
es war der Ritter Wilhelm von Pratell — „Ich bin der König!" So-
gleich stürzten die Türken auf den Sprecher los, und Richard hatte Zeit,
sich durch die Flucht zu retten. Der englische Ritter ward gefangen ge-
nommen, aber ob der bewiesenen Hochherzigkeit von Saladin gut behan-
delt und nachmals gegen zehn Türken ausgewechselt. — So löwenmuthig
nun auch Richard focht, der Zweck des Kreuzzuges, die Eroberung Jeru-
salems, gelang ihm doch nicht. Saladin war ihm an Feldherrntalent über-
legen und hatte zur Vertheidigung der bedrohten Stadt treffliche Anstalten l
l) Marseille, Stadt in der Provence, an der Küste des mittelländische»
Meeres. — Joppe, Stadt am mittelländischen Meere, nordwestlich von Jerusalem.