1861 -
Hildburghausen
: Nonne
- Autor: ,
- Hrsg.: Spiess, Moritz, Berlet, Bruno
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Realschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Maria aber ließ darauf durch ihre Bevollmächtigte erkläre«, daß es ihrer
Ehre und königlichen Würde zu wider sei, auf derlei Beschuldigungen zu ant-
worten. Da sie sich hierdurch von dem ihr zur Last gelegten Verbrechen
nicht gereinigt hatte, so wurde sie auch noch ferner in Haft behalten.
Doch auch in England fand die gefangene Königin Freunde, besonders
an ihren Glaubensgenossen, den Katholiken. Der Herzog von Norfolk entwarf
den Plan, sie zu befreien, dann sie zu heirathen und ihre Wiedereinsetzung in
Schottland mit Gewalt durchzusetzen. Allein der Plan ward verrathen und er
büßte das Wagstück mit dem Leben. Ebenso unglücklich endigten die Ver-
suche des Franzosen Ballard und des Engländers Babington, welche die
Königin Elisabeth ermorden und dann den Kerker Marias sprengen wollten.
Durch diese und andere Verschwörungen wurde die Lage Marias nur
noch trostloser. Und da Elisabeth nach solchen Vorgängen das Leben der
schottischen Königin als mit ihrer eigenen Sicherheit unverträglich hielt, so
beschloß sie deren Tod. Sie rief ein Gericht zusammen und dieses erkannte
Maria der Theilnahme an dem Morde ihres Gemahls und an einer Ver-
schwörung gegen das Leben der Königin Elisabeth für schuldig, worauf
das Todesurtheil ausgesprochen und von Elisabeth bestätigt wurde.
Maria empfing die traurige Botschaft mit einer Heiterkeit und Würde,
die alle Anwesenden rührte und erschütterte. Der Tag, sprach sie, nach.dem sie
so lange sich gesehnt habe, sei endlich eingetroffen; beinahe 20 Jahre babe sie im
Gefängniß geschmachtet, und viele Unbill erlitten. Sie betheuerte daraus, daß
sie nie den Tod oder die Entthronung der Königin Elisabeth gewollt habe.
Der 8. Februar 1587 war der Tag ihrer Hinrichtung. Die Nacht
zuvor brachte sie größtentheils im Gebete zu. Der Beistand eines katholi-
schen Geistlichen, um den sie flehentlich gebeten hatte, war ihr versagt wor-
den. Um acht Uhr Morgens*) setzte sinder traurige Zug in Bewegung.
Maria hatte das reichste ihrer Gewänder angelegt und ging mit heiterem
Anblick in die große Halle hinab, in welcher das Schaffot errichtet worden
war. Auf dem Wege fand sie ihren alten Haushofmeister Melvil, dem seit
mehreren Monaten der Zutritt zu ihr verboten war. Der treue Diener
siel in die Kniee und weinte laut. Sie bot ihm liebreich die Hand. „Klage
nicht, sprach sie, ehrlicher Mann, freue dich vielmehr, denn du wirst das
Ende sehen von Maria Stuarts Leiden. Bringe meinem Sohne meine letzten
Grüße; sage ihm, daß ich der Würde und Unabhängigkeit seiner Krone keinen
Abbruch gethan habe, und bete für deine Königin." Dann brach sie in
Thränen aus und sprach: „Lebe wohl, guter Melvil, lebe wohl!"
Als sie das Blutgerüst bestiegen hatte, trat ein protestantischer Geist-
licher zu ihr und ermahnte sie im Namen der Königin Elisabeth, die katho-
lische Religion abzuschwören. Maria bat ihn wiederholt, sich und sie nicht
zu belästigen, da sie entschlossen sei, in dem Glauben ihrer Väter zu sterben.
Daraus betete sie mit lauter Stimme für das Wohl ihrer Seele, für ihren
Sohn und zuletzt auch für Elisabeth, tutete nieder, legte das Haupt auf
den Block und empfing den Todesstreich.
So starb Maria Stuart, vielleicht die unglücklichste aller Königinnen,
im 46sten Jahre ihres Alters, nachdem sie ihre Vergehen durch lange
') Die Hinrichtung geschah ans dem Schlosse F o th e r i n g h a i, 15 Meilen
nördlich von London.