1852 -
Weimar
: Albrecht
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Antike
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Oberhaupt geleugnet oder gestört wurde, erschienen als todeswür-
dige und Majestätsverbrechen. Dahin gehört Abgötterei, Verletzung
der heiligen Gebräuche, Gotteslästerung und das Auftreten eines
falschen Propheten. Wer einen anderen Gott anbetete, der war
unmittelbar Rebell gegen das Staatsoberhaupt, dessen Recht an
seine Person, auf Grund und Boden und Gesetzgebung er durch
sein Thun leugnete. Die Verletzung der heiligen Gebräuche galt
als ein Zeichen der Lossagung vom Dienste Gottes.
Damit sich die Israeliten erinnern möchten, daß ihr Leib, ihr
Grund und Boden nicht ihnen, sondern Gott gehöre, sollte zu ge-
wissen Zeiten ihre Macht über Leib und Gut aufgehoben sein; sie
sollten weder ihren Leib, noch ihr Gut brauchen. Dies sollte an
jedem siebenten Tage oder am Sabbath statt finden. Ueberdies
sollte das Land in jedem siebenten Jahre Ruhe haben und im sieben-
mal siebenten (dem neunundvierzigsten oder fünfzigsten) sollten alle
menschlichen Verträge über Leib und Gut erloschen und das alte
von Gott verordnete Verhältniß wieder hergestellt sein. Es sollten
also diese Festzeiten dazu dienen, die Abhängigkeit von Gott in
Erinnerung zu erhalten. Andere Feste, wie zum Beispiel das Pas-
sahfest, waren verordnet, um das Andenken an Gottes wunderbare
Fürsorge zu erhalten, noch andere waren Dankfeste u. s. w.; alle
aber hatten den Sinn, die Beziehung zu dem unsichtbaren Staats-
oberhaupte immer von neuem zu beleben. Diesen Zweck hatten auch
die Speise- und Neinigkeitsgesetze, welche den Israeliten einen in-
nigeren Verkehr mit Ausländern fast unmöglich machten und jeden
Einzelnen täglich und stündlich daran erinnerten, daß er nicht unter
jene anderen Völker, sondern zu dem Volke Gottes gehöre, und
welche also den Nativualstolz nährten und eine Verschmelzung mit
fremden Sitten auf keine Weise zuließen.
Spatere Zu- Die mosaische Gesetzgebung hat theils patriarchalische Ver-
tusche^ Ge-' hältnisse in sich aufgenommen, theils einen künstlichen Priesterstaat
sctzgrbung. cxngcvtd)tet. Diese ganzen Einrichtungen sollen auf dem Zuge von
Aegypten nach Palästina dem israelitischen Volke bekannt gemacht
worden sein, und in den Büchern Mosis und in dem Buche Josua
wird auch erzählt, daß diese Verfassung eingeführt und auf Palä-
stina übertragen worden sei. Die Bücher der Richter und Samue-
lis dagegen enthalten zwar Vieles, was von dem Bestehen jener
patriarchalischen Verhältnisse zeigt, aber es ist dies so, daß man
sieht, diese patriarchalischen Verhältnisse fanden allein statt und von
jenem-künstlich eingerichteten Priesterstaate war noch nichts vorhan-
den; ja eine Menge Begebenheiten werden erzählt, welche das Vor-
handensein eines solchen Priesterstaates unmöglich machen. Ein mit
so fanatischer Konsequenz durchgeführtes hierarchisches System, wie
die mosaische Gesetzgebung, konnte nickt leicht von einem Menschen
gegeben sein, weil die Folgerungen des hierarchischen Prinzipes erst
nach und nach eingesehen werden. Noch weniger reichte ein Men-
schenalter hin, um an die Stelle des freien nomadischen Lebens eine
solche Verfassung zu setzen, durch welche fast alle menschlichen Ver-
hältnisse verletzt wurden. Auch läßt sich ein hierarchisches Prinzip
nickt ohne eine gewisse äußere Notb und Verlegenheit durchführen;