1852 -
Weimar
: Albrecht
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Antike
- Geschlecht (WdK): Jungen
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dern, Die in wenigen schlichten Versen den Hauptgedanken und Grund-
ton der Empfindung andeuteten. Als aber die griechische Lyrik sich
vervollkommnet hatte, konnten die Chöre nicht bei der bloßen Wie-
derholung einfacher Verse stehen bleiben, sondern es wurden überall
Gesänge verlangt, die ein kunstreicheres Metrum und sinnreichere
Gedanken auszeichnete. Jede bedeutendere Stadt, namentlich im
dorischen Peloponnes, hatte ihre Dichter, welche die Einübung der
Chöre besorgten. Ein dorischer Lyriker war Alkman aus Sardes
in Lydien, welcher erst Sklave, dann Freigelassener in Sparta war
und um 629 vor Chr. lebte. Er fand die Musik bereits durch
Terpander und Thaletas vervollkommnet vor und strebte nach Er-
findung neuer künstlicher Formen; in seinen Dichtungen findet sich
eine große Mannigfaltigkeit des Versmaßes, des Dialekts und des
ganzen poetischen Tons. Er dichtete besonders Chorlieder, die von
Jungfrauen gesungen wurden. ' Außerdem werden von ihm Hymnen
auf die Götter, Prosodien (Lieder für Processionen), Hymenäen und
Liebeslieder erwähnt. Stesichorus aus Himera in Sieilien lebte
um 640 bis 560 vor Chr. Er zeichnete sich durch Anordnung und
Einübung von Chören aus und erhielt davon den Namen Stesicho-
rus oder Choraufsteller; eigentlich soll er Tisias geheißen haben.
Er behandelte in seine;, Liedern Sagen aus dem Heldenkreise in
lyrischer Form und dichtete Liebeslieder, welche Erzählungen von
Liebenden enthielten. Stesichorus bildete auch das in seiner Hei-
math einheimische Hirtenlied zum bukolischen Gedichte aus. Ein
Zeitgenosse desselben war Arion von Melhymne auf Lesbos; er gab
dem Dithyrambus, dem bacchischen Festliede, ein kunst- und würde-
volles Gepräge und ließ denselben zuerst von Chören vortragen,
welche sich im Kreise um den Altar bewegten. An Stesichorus
schloß sich in Beziehung auf Form und Inhalt seiner Gedichte Jby-
kus an; er stammte aus Rhegium in Unteritalien und brachte einen
Theil seines Lebens bei Polykrates in Samos zu. Der bereits als
Elegiendichter genannte Simonides von der Insel Ceos war auch
Meister in anderen Dichtnngsarteu. In seiner Poesie tritt mehr
als die poetische Begeisterung eine mannigfaltige Bildung und eine
edle Richtung des Geistes hervor. Eine edle Bescheidenheit, das ■
Bewußtsein menschlicher Schwäche und die Anerkennung einer höhern
Macht sind überall sichtbar. Man führt von Simonides eine Menge
sinnreicher und weiser Sprüche an, und die Mäßigung des Simo-
nides war sprichwörtlich. Seine Lebensklugheit und die feine und
gescheite Art, mit der er die Verhältnisse der Staaten und Herr-
scher behandelte, erwarb ihm die Freundschaft der mächtigsten und
ausgezeichnetsten Männer seiner Zeit. Simonides dichtete eine Ele-
gie auf die bei Marathon Gefallenen, ein Loblied auf die Kämpfer
bei Thermopylae und Gesänge auf die Seeschlachten bei Artemisium
und Salamis. Weit öfter aber waren Privatmänner Gegenstand
seiner Gesänge und deshalb warf man ihm vor, daß er die Gaben
der Muse um Geld verkaufe.
Der größte lyrische Dichter war Pindar, geboren 522 vor Chr.
zu Kynoskephalä, einem Flecken im Gebiete von Theben. Die Zeit,
in welche Pindars erste Bildung fällt, war reich- an geistiger Kraft
und Thätigkeit, und auch in Böotien fand sich damals noch viel