1852 -
Weimar
: Albrecht
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Antike
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Gewerbe zu treiben für einen Bürger nicht ehrenvoll war, und die
Reichen ihre Aecker nicht durch freie Tagelöhner bebauen ließen, so
ergaben sich die bereits durch den anhaltenden Kriegsdienst aller re-
gelmäßigen bürgerlichen Beschäftigung entwöhnten ärmeren Bürger
immer mehr dem Müsstggange und den Lastern, welche sie in den
eroberten Ländern kennen gelernt hatten. Dazu kam noch, daß
aus allen Gegenden eine Menge liederliches Gesindel nach Rom
strömte, und so in Rom ein großer Haufe von Menschen entstand,
welcher weder Eigenthum, noch Lust zur Arbeit besaß.
Diesen Uebeln wollte der edle Tib. Sempromus Gracchus durch
Erschaffung eines wohlhabenden Mittelstandes abhelfen und erneuerte
zu diesem Zwecke das Gesetz des Licinius Stolo, daß niemand über
500 Jugera vom Staatslaude besitzen, von diesem Besitze aber den
gesetzlichen Zehnten abgeben solle. Denjenigen, welche Kinder hatten,
gestaltete er noch für diese die Hälfte des gesetzlichen Maßes, also
250 Jugera, zu besitzen. Das noch nicht in Besitz genommene
Staatsland, sowie dasjenige, welches nach diesem Gesetze zurück-
gegeben werden mußte, solle von einer jährlich zu erwählenden
Kommission von drei Männern zu gleichen Theilen als Eigenthum
an arme Bürger vertheilt und Liesen der Verkauf desselben verbo-
ten werden. Ferner solle in Zukunft jeder Besitzer von Staats-
länbereien unter seinen Hirten und Ackerleuten eine bestimmte Zahl
freier Leute haben. — Manche wackeren Männer der herrschenden
Aristokratie schenkten dem vorgeschlagenen Gesetze und dem ganzen
Vorhaben des Gracchus ihren Beifall; dagegen fand das beantragte
Gesetz auch wieder von Seiten der meisten Mitglieder des Senats
und überhaupt derjenigen reichen Leute, welche große Strecken des
Staatslandes in Besitz genommen hatten, den heftigsten Widerspruch.
Die reichen Gutsbesitzer gewannen einen Kollegen des Gracchus,
M. Octavius, für thr Interesse, und dessen eingelegtes Veto hemmte
die Verhandlung über das Gesetz. Gracchus aber machte von einem
den Tribunen zustehenden Rechte Gebrauch und gebot durch ein
Edict bis zu dem Tage, an welchem über seinen Vorschlag abge-
stimmt wäre, ein Justitium d. h. er hemmte die Amtsthätigkeit
aller Magistrate. Als sich Octavius durch Bitten und Vorstellun-
gen nicht bewegen ließ, seinen Einspruch zurückzunehmen, bean-
tragte Gracchus dessen Amtsentsetzung, eine neue und unerhörte
Maßregel, durch welche die Heiligkeit des Tribunales vernichtet
wurde. Dieser Antrag ging durch, und Octavius wurde abgesetzt.
Nun wurde auch das Ackergesetz angenommen, und Gracchus selbst
wurde mit seinem Bruder und seinem Schwiegervater Appius Clau-
dius mit der Ausführung beauftragt. Die Erbitterung der Neichen
gegen Gracchus war groß, und der Senat hinderte durch alle ihm
zu Gebote stehenden Mittel die Ausführung des Gesetzes. Durch
neue Anträge und Versprechungen suchte Gracchus seine Partei an
sich zu fesseln, und nur in der Wiedererwähluug zum Tribun hoffte
er Schutz zu finden. Als die Wahl der Tribunen vorgenommen
wurde, kam es zu einem förmlichen Kampf auf dem Forum, und
man mußte die Volksversammlung auseinander gehen lassen. Am
folgenden Tage kam das Volk zu einer neuen Versammlung auf
dem Kapitol zusammen. Der Senat" versammelte sich in einem