1854 -
Weimar
: Böhlau
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt: Zeit: Mittelalter
- Geschlecht (WdK): Jungen
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I. Von der Auflösung des weströmischen Reiches bis zum Tode
Karls des Großen von 476 bis 814;
Ii. bis zum Anfang der Kreuzzüge 1096;
Iii. bis Rudolph von Habsburg 1273 ;
Iv. bis zur Entdeckung von Amerika 1492.
Wir haben als die drei Hauptelemente der christlich-germani-
schen und romanischen Bildung während des Mittelalters die römi-
sche Bildung, das Christenthum und den jugendlich kräftigen Geist
der Germanen angegeben und bereits gesagt, daß die Entstehung
des Christenthums und das erste Auftreten der Germanen in eine
frühere Periode fällt. Wir sprechen daher hier, ehe wir zur ersten
Periode des Mittelalters übergehen, 1) von der Verbreitung der
römischen Bildung, 2) von den Kelten in Gallien und Britannien,
3) von den germanischen Völkern bis zum Jahr 476, 4) von den
Slaven, 5) von dem Christenthum bis zum Beginn des Mittel-
alters.
1) Die Verbreitung der römischen Bildung.
Die fortgesetzten Eroberungen der Römer hatten die immer zu- ursachm der
nehmende Erweiterung des römischen Gebietes und die Einrichtung
der eroberten Länder als römische Provinzen zur Folge gehabt. In
der Regierung und Verwaltung der Provinzen befolgten die Römer
ein so kluges und systematisches Verfahren, daß die unterworfenen
Völker, deren Kraft und Selbstgefühl bereits durch Waffengewalt
gebrochen war, allmälig die römische Sprache, Sitten und Einrich-
tungen annahmen. Weniger geschah dieses in Griechenland, Mace-
donien und den östlichen Ländern, wo sich bereits die griechische
Sprache und Bildung verbreitet hatte und wo das Römische auf
den Bereich der eigentlichen Staatsverwaltung, die Gesetzgebung und
das Gerichtswesen beschränkt blieb. Die Griechen waren seit lan-
ger Zeit civilisirt und sittlich verderbt und besaßen zu viel Ge-
schmack, als daß sie ihre Sprache aufgegeben, und zu viel Eitel-
keit, als daß sie fremde Einrichtungen angenommen hätten. Die
griechische Sprache hatte sich durch Kolonien von dem adriatischen
Meere bis zu dem Euphrat und Nil verbreitet, und Asien war mit
griechischen Städten bedeckt. Dagegen ging in den westlichen Län-
dern, in Sicilien, Sardinien, Korsika, Hispanien, Gallien, Bri-
tannien, den Ländern südlich von der Donau und in dem westlichen
Nordafrika das Römische in das Volksleben über. Dazu trugen
bei die in den Provinzen stehenden römischen Heere, die von Rom
aus gegründeten oder neu eingerichteten Städte, die Einführung
des römischen Gerichtswesens, da Gesetze und Verhandlungen latei-
nisch waren, der durch treffliche Heerstraßen erleichterte Verkehr der
Provinzen mit Rom, der Aufenthalt von römischen Geschäftsleuten
in den Provinzen und provinzialer in Rom, endlich die Erhebung
von Provinzialen auf den Kaiserthron. Nachdem den Legionen von
den Kaisern bleibende Standquartiere angewiesen worden waren,
bevölkerten sich die Provinzen bald mit einem Geschlecht römischer
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