1854 -
Weimar
: Böhlau
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt: Zeit: Mittelalter
- Geschlecht (WdK): Jungen
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gegen die Räuber ihrer Freiheit beseelte vorzüglich die Cherusker;
aber eine ansehnliche Kriegsmacht befand sich zwischen Weser und
Rhein, und nur von einer Verbindung mehrerer Stamme ließ sich
ein glücklicher Erfolg hoffen.
Die Seele des Unternehmens war Armin oder Hermann,
der aus adeligem Geschlecht der Cherusker stammte. Er war jetzt
in der Blüthe des Lebens, hatte früher als Anführer einer cherus-
kischen Hülfsschaar in römischem Kriegsdienst gestanden und war
durch das römische Bürgerrecht und den Rang eines Ritters geehrt
worden. Er begriff die Lage seines Vaterlandes; nicht durch Of-
fenheit und Biederkeit, nur durch List und Täuschung konnte die
Befreiung erreicht werden. Armin und sein Vater Sigimer blieben
in der näheren Umgebung des Statthalters, und dieser war im
Gefühl der Sicherheit taub gegeu Warnungen, als ihm ein edler
Cherusker, Segest, die Verschwörung enthüllte. Cheruskische
Häuptlinge, Armin an der Spitze, waren die Stifter des Freiheits-
bundes, aber auch Brukterer, Marsen und Chatten nahmen
an dem Unternehmen Theil. Varus stand 9 n. Chr. mit drei Le-
gionen und deren Hülfseohorteu am westlichen Ufer der Weser.
Da vernahm er im Spätsommer, daß eine entferntere Völkerschaft
sich gegen die Römer erhoben habe. Das war ein Scheinaufstand,
um die Römer in Gegenden zu verlocken, welche ihre Vernichtung
erleichterten. Nichts ahnend tritt Varus den Zug an. Bald ver-
lassen ihn die germanischen Häuptlinge unter dem Vorwände, da-
heim ihre Schaaren zu rüsten und mit diesen dem römischen Heer
schnell nachzueilen. Schon sind die Schaaren versammelt, aber nicht
für den Römerdienst, sondern für Deutschlands Freiheit. Die Ver-
schwörung bricht alsbald in offenen Aufstand aus. Indessen zieht
das Römerheer, wie im tiefen Frieden, ohne feste Marschordnung
und mit zahllosem Troß über das von Thalschluchten durchschnit-
tene Waldgebirge. Sturm und Regen vermehren die Beschwerden
des Marsches. Dem erschöpften und verwirrten Heere nähern sich
anfangs an einzelnen Punkten feindliche Germanen. Bald drin-
gen sie von allen Seiten durch das Dickicht der Waldung hervor
und umzingeln immer enger die Legionen, welche nicht im Stande
sind eine Schlachtlinie zu bilden. Unter steten Angriffen wird end-
lich von den Römern für die Nacht ein Lager aufgeschlagen.
Am folgenden Morgen wird alles entbehrliche Gepäck ver-
brannt, und das Heer, welches am ersten Tage von der Weser
nach Süden aufgebrochen war, dringt jetzt in westlicher Richtung
vor, um die Festung Aliso an der Lippe zu erreichen. Von dieser
Festung trennt das römische Heer der heutige Osning oder der teu-
toburger Wald, und diesen betraten die Legionen am zweiten
Tage. Groß waren die Verluste der Römer, als Varus am zwei-
ten Abend das Lager aufschlagen ließ. Am dritten Tage erreichten
die Römer unter Sturm und Regen, den furchtbarsten Beschwerden
und steten Verlusten den südwestlichen Abhang des teutoburger
Waldes. Aber am Saume desselben und in der Ebene zwischen
den Quellen der Ems und Lippe war die Hauptmacht der Germa-
nen aufgestellt, um den Pfad nach Aliso zu sperren. Von allen
Seiten werden die Römer umzingelt, an allen Punkten angegrif-