1854 -
Weimar
: Böhlau
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt: Zeit: Mittelalter
- Geschlecht (WdK): Jungen
147
er angehörte, ausscheiden wollte, zerbrach Erlenzweige über dem
Kopf und sagte sich feierlich von allen Verpflichtungen und Rechten los.
Eine wesentliche Umgestaltung der alten Zustände zeigt die Aus-
bildung der königlichen Gewalt. Die Salier haben seit ih- chm Gewalt,
rem ersten Auftreten in der Geschichte Könige. Dieses Königthum
hat mit dem ältesten Königthum einiger deutschen Stämme das ge-
mein , daß es erblich einem Geschlechte zusteht, daß es eine heilige
höchste Gewalt ist, die ihr Recht nicht bloß von dem Volke em-
pfängt, sondern es gewissermaßen in sich trägt. Allein die königliche
Gewalt hat jetzt einen viel größeren Umfang. Kein Artikel des sa-
lischen Gesetzes handelt ausdrücklich von dem Recht des Königs, von
dem Umfange seiner Gewalt, dem Wesen seiner Würde. Die stan-
den außerhalb der Grenzen, in denen sich die Aufzeichnung des
Rechts bewegte. Auf den König sind die wichtigsten Befugnisse der
alten Gauversammlung übergetragen. Er ernennt die Vorsteher der
Gaue, die Grafen, welche die Stellvertreter des Königs sind. Eine
Versammlung des Gaus scheint nicht mehr stattzufinden, sondern
die Entscheidung der Rechtsstreite, welche früher vor die Gauver-
sammlung gebracht wurden, geschieht in dem Gericht des Königs.
Der König schließt von der Gemeinschaft der Gemeinde aus, was
früher nur diese selbst zu thun das Recht hatte. Wem der König
seinen Schutz entzieht, der ist des Friedens verlustig. Dem König
ist die Schirmung des Friedens und des Rechts übertragen. Darum
erhebt er auch das Friedensgeld durch seine Beamten, die Grafen.
Selbst die Ladung vor das Volksgericht erfolgt gemäß königlicher
Autorität. Außer den Grafen ernennt der König noch andere rich-
terliche Beamte, die Sacebaronen, die im Volksgericht thätig sind.
Die königliche Gewalt sorgt dafür, daß das Recht aufrecht erhalten und
geschützt werde. Alle die von dem König mit einem Amte begabt
werden, sind durch ein dreifaches Wehrgeld ausgezeichnet. Und
desselben Vorzugs erfreuen sich diejenigen, welche in das Gefolge
des Königs eingetreten sind. Ursprünglich wurde dem Adel höhe-
res Wehrgeld zu Theil; in dem salischen Gesetz wird aber kein Adel
erwähnt. Die Ausbildung des Königthums scheint dahin geführt
zu haben, daß der alte Adel den früheren Vorzug verlor. Der König
belohnt nur den Dienst, der ihm geleistet wird, und das Gesetz erkennt
die höhere Ehre an, welche dafür dem Einzelnen zu Theil wird.
Der König vermag Mitglieder des Volkes, welche den freien
Franken nicht gleich stehen, höher zu heben, z. B. den Römer da-
durch, daß er ihn zum Tischgenossen macht, was der Aufnahme ins
Gefolge gleichsteht. Auch die Freilassung fand vor und durch den
König statt. Alle Mitglieder des Volkes fanden durch den Kö-
nig die Sicherung des Rechts und des Friedens. Der König
griff auch in manche Verhältnisse auf eine Weise ein, die fast Be-
fremden erregt. Ein königlicher Auftrag oder Dienst entschuldigte
nicht bloß den Grafen, wenn er die ihm obliegende Verpflichtung
nicht erfüllte, sondern machte auch jede Ladung unkräftig. Auch
die Verhältnisse der einzelnen Gemeinden waren der Einwirkung
des Königs unterworfen. Eine allgemeine Versammlung des Vol.
kes, die dem König zur Seite gestanden hätte, wird nicht erwähnt.
10 *