1854 -
Weimar
: Böhlau
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt: Zeit: Mittelalter
- Geschlecht (WdK): Jungen
176
Zahl Personen vom Kriegsdienst befreit; oder sie erhielten das Recht,
Leute nach ihrem Ermessen zu Hause zu lassen. Anführer seines
Heerhaufens war der Senior, selbst der Bischof, oder Abt; in
deren Verhinderung der Graf, oder auch wohl ein hoher Va-
sall des Stifts oder Klosters. So trat neben den Heerbanndienst
der Kriegsdienst, welchen die geistlichen und weltlichen Senioren
mit ihren Leuten leisteten. Die Verbindung der Senioren und ih-
rer Vasallen wurde seit dem achten Jahrhundert zu dem Reichs-
kriegswesen in die engste Beziehung gebracht, und der Senior zu
seinen Vasallen in dasselbe Verhältniß gestellt, in welchem der Graf
zu den Leuten seines Bezirks stand. Die Senioren und ihre Va-
sallen machten durch ihre Zahl und ihre Ausbildung die hauptsäch-
liche Kraft des Heeres aus. Der dem Senior zu leistende Fideli-
tätseid schloß auch die Pflichten gegen den König in sich.
Die Heerhaufen der Senioren bestanden nicht bloß aus deren
Vasallen und freien Leuten, sondern auch aus Unfreien, aus Liten
und unfreien Ministerialen. Es wurden auch Beneficien au Un-
freie gegen Verpflichtung zum Reiterdienst verliehen, und diese da-
durch in ein vasallenähnliches Verhältniß gebracht. Auch wurde bei
Verleihung von Höfen häufig ein Naturalbeitrag zur Ausrüstung
des Heerhaufens bedungen.
àgsmacht Stellung der Grafen veränderte sich im Laufe der Zeit
mehr und mehr, besonders im deutschen Lande, theils dadurch, daß
sie aus eingeborenen Geschlechtern jedes Gaus genommen wurden,
theils dadurch, daß sic sich in dem Gau fest niederließen und ihre
Würde erblich zu machen wußten. Bei dem Sinken der Kö-
nigsmacht erscheinen die Grafen als die eigentlichen und unmittel-
baren Fürsten ihres Gebietes, die mit dem Volke, dem sie vorstan-
den, durch mannigfache Bande verbunden waren und auf den
Reichsversammlungen und bei anderen Gelegenheiten fast als die
Vertreter des Volkes gegen den König auftraten. Wie die Grafen
auf diese Weise ihre Stellung verändert haben, so ist es in noch
höherem Grade mit den Herzögen geschehen. Auch die Herzöge
sollten königliche Beamten sein, sie sollten zunächst die kriegerischen
Verhältnisse leiten, dem Heer vorstehen und es dahin führen wo-
hin der König gebot. Aber die Bedeutung der deutschen Herzöge
ist schon früh eine andere geworden. Sie find die Häupter der
Stämme, üben alle wichtigeren Rechte unter denselben aus und
gewähren diesen innerhalb des fränkischen Reichs eine besondere po-
litische Entwickelung. Ursprünglich sind die Herzöge von den Kö-
nigen eingesetzt, aber sehr bald hat sich in bestimmten Geschlechtern
ein erbliches Recht gebildet, welches die Könige anerkannten.
Am entschiedensten ist das bei den Baiern der Fall, wo das Gesetz
den Agilolfingern den Besitz der herzoglichen Würde sichert. Die
Gewalt der Herzöge gestaltete sich allmälig zu einer fast völligen
Selbständigkeit innerhalb des beherrschten Gebietes, wenn auch
nicht jede Einwirkung der Könige ausgeschlossen war; je entfernter
vom Mittelpunkte des Reiches die Herzöge waren, desto selbständi-
ger standen sie da.