1854 -
Weimar
: Böhlau
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt: Zeit: Mittelalter
- Geschlecht (WdK): Jungen
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ten. Als aber Karl selbst erschien und das Land verheeren ließ,
mußte Arighis Karls Oberhoheit anerkennen. In Rom empfing
Karl die Gesandten des Herzogs Thassilo von Baiern, welche
nach Rom gekommen waren, um durch Vermittelung des Papstes
für ihren Herrn Verzeihung von dem König zu erlangen. Karl
hatte viele Ursachen dem Thassilo zu zürnen, besonders warf er ihm
vor, daß er die Heeresfolge nicht leiste, obgleich Thassilo sein Heer-
selbst bedurfte, weil die Awaren stets an seinen Grenzen streif-
ten. Die Gesandtschaft hatte nicht den gewünschten Erfolg, son-
dern Karl forderte im Sommer 787 den Herzog vor eine nach
Worms berufene Reichsversammlung. Als der Herzog nicht er-
schien, setzten sich drei Heere gegen Baiern in Bewegung, das eine,
von Karl selbst geführt, durch Alemannien in der Richtung nach
Augsburg, das andere, aus Ostfranken, Thüringern und Sachsen
bestehend, von Norden nach der Donau zu, das dritte, unter Karls
Sohne Pipin, von Italien her, das Etschthal herauf gegen das
Herz des Landes. Thassilo, überrascht und rathlos, unterwarf sich
und stellte seine Söhne als Geiseln. Aber schon 788 wurde er
vor die Reichsversammlung zu Ingelheim bei Mainz gefordert, um
sich wegen neuer Anschuldigungen zu rechtfertigen. Da es ihm nicht
gelang, so wurde er zum Tode verurtheilt, die Strafe aber von
Karl dahin gemildert, daß sich Thassilo mit den Seinigen in ein
Kloster begeben solle. Baiern wurde in Gaue eingetheilt und die-
sen Grafen vorgesetzt.
Im Jahre 789 unternahm Karl zur Sicherung der Ostgrenze
des Reiches einen Zug gegen das slawische Volk der Milzen, wel-
ches jenseits der Elbe in der späteren Mark Brandenburg wohnte.
Er schloß gegen dasselbe einen Bund mit einer anderen slawischen
Völkerschaft, den im jetzigen Mecklenburg wohnenden Obotriten;
auch vereinigte er Friesen und Sachsen mit seinen fränkischen Trup-
pen. Karl demüthigte die Milzen und zwang sie ihm Geiseln zu
stellen und Geschenke darzubringen.
Von 791 bis 798 bekriegte Karl die Awaren in sieben Feld-
zügen, welche theils von ihm selbst, theils von seinen Generalen
unternommen wurden. Die Awaren wohnten östlich von den Baiern
im heutigen Ungarn und Oestreich (S. 129) und suchten die be-
nachbarten Völker mit ihren verheerenden Raubzügen heim. Sie hat-
ten ihr Land, das schon von Natur an vielen Stellen unzugänglich
war, durch Hecken und Gräben noch mehr befestigt und in demsel-
den neun Ringe oder Umpfählungen angelegt, in welchen ihre Woh-
nungen so vertheilt waren, daß der Klang der Trompete von der
einen bis zur andern reichte. Einer Heeresabtheilung, welche Karls
Sohn Pipin von Italien aus gegen die Awaren führte, gelang es,
das befestigte Lager des awarischen Chans oder den Hauptring zu
erstürmen und daselbst eine unermeßliche Beute zu machen, welche
die Awaren nach und nach aus den civilistrten Ländern zusammenge-
bracht hatten. Es soll durch diese reiche Beute der Werth des
Goldes und Silbers im Frankenreiche herabgedrückt worden sein.
Ein Theil der Awaren wurde unterworfen und zum Christenthum
genöthigt. Einzelne awarische Fürsten kamen an den fränkischen
Hof, leisteten Huldigung und ließen sich taufen; aber im Ganzen