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1. Geschichte des Mittelalters - S. 282

1854 - Weimar : Böhlau
282 lands, dessen Namen die Geschichte hier zu nennen hat, das Kloster St. Gallen. Die dortige Schule blühte, als die zu Fulda ge- sunken war, zu Anfang des elften Jahrhunderts. Die Hauptsache für die gelehrte Thätigkeit war hier wie anderswo nächst der Bi- bel und den Kirchenvätern die antike, namentlich die lateinische Li- teratur, und die Uebung in lateinischer Poesie und Prosa. Aber auch die deutsche Sprache erfreute sich des gelehrten Gebrauchs und literarischer Pflege, zwar nicht als Gegenstand, doch als Mittel des Unterrichts. Man bediente sich ihrer zur Erklärung der geistlichen und weltlichen Schriften, die man in der Schule las und sonst zur Verdeutlichung des Schulvortrages. Daher ist, was wir aus die- ser Zeit der St. Galler Mönche haben, lauter Uebersetzungs- und Erklärungsprosa, abgefaßt für den Schulgebrauch und nur zum klei- neren Theile auch für anderweitigen Gebrauch bestimmt. Diese Schriften sind nicht ganz in deutscher Sprache abgefaßt, sondern entweder wird der wesentlich lateinische Text nur unterbrochen von der Verdeutschung einzelner Worte oder ganzer Sätze, oder umge- kehrt der wesentlich deutsche Text unterbrochen von lateinischen Wor- ten und Sätzen. Wo die deutsche Abfassung überwiegt, da fließt die Rede leicht und gewandt dahin. Der eifrigste der St. Galler Uebersetzer war Notker Labeo. Dem Hofe der Ottone fehlte auch nicht der Schmuck der Poe- sie und des Gesanges; aber man dichtete da lateinisch. Es ent- stand an dem gelehrten Hofe die fremdartige Erscheinung einer la- teinischen Hofdichtung. Das einzige deutsche Gedicht aus die- ser Zeit, das wir noch kennen, ist nur zur Hälfte deutsch, zur Hälfte aber, da Vers um Vers die Sprache wechseln, lateinisch. Es ist ein Leich aus die Versöhnung Otto's I. mit seinem Bruder Hein- rich im Jahre 941. Zu den lateinischen Hofdichtungen gehört eine von Hroswitha, einer Nonne im Kloster Gandersheim, in latei- nischen Versen abgefaßte Lebensgeschichte Otto's I. Dieselbe Nonne schrieb auch lateinische Komödien, um den Terenz zu verdrängen. Von den Mönchen wurde die lateinische Poesie mit Liebe und Er- folg gepflegt und von der lateinischen Klosterdichtung ein- heimische Sagen, die Thiersage und die Heldensage bearbeitet. Von der deutschen Dichtung hielt sich Hof und Geistlichkeit fern. Bisher war sie Sache und Eigenthum des ganzen Volkes gewesen; nun sank das deutsche Lied, welches die Geistlichen und die gelehrten Laien am Hofe fallen ließen, mehr in die niederen Schichten der Gesellschaft hinab, und es begann, von den Vorneh- men verachtet und den Geistlichen nicht des Aufschreibens werth ge- halten, die deutsche Volksdichtung. Nur die Bauern sangen noch deutsch, und wenn an Höfen jetzt noch deutscher Gesang er- scholl, so verhehlten die vornehmen Herrn ihre Geringschätzung nicht. Die Gesänge des Volkes waren theils Ueberlieferungen aus früherer Zeit, Lieder aus dem Schatze der Sagen, theils wurden sie zu Ruhm oder Schmach der Ereignisse des öffentlichen Lebens gedich- tet, und ihr Inhalt war die Geschichte des Tages. Das Volk sang die Geschichts- und Sagenlieder; aber Dichter derselben waren meist wohl diejenigen, welche auch aus deren Vortrage und dem beglei-
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