1854 -
Weimar
: Böhlau
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt: Zeit: Mittelalter
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Florenz.
Während sich die Verfassung Venedigs zu einer starren Ari-
stokratie ausbildete, entwickelte sich dagegen Florenz in einem un-
aufhörlichen Wechsel der Einrichtungen zu einer vollständigen De-
mokratie. Da der Abel sich durch die beständigen Parteikämpfe der
Guelfen (Schwarzen) und der Ghibellinen (Weißen) schwächte,
so gelangte das in Zünfte getheilte Volk zur Herrschaft. Aber
kaum war der Adel von der Regierung ausgeschlossen, als sich aus
den reicheren Mitgliedern der sieben oberen Zünfte ein höherer Bür-
gerstand bildete, gegen dessen Herrschaft sich die vierzehn niederen
Zünfte und das ärmere Volk erhoben. Unter fortwährenden Käm-
pfen um die Herrschaft zwischen der Geldaristokratie und dem ge-
ringeren Volke wurde die Verfassung immer demokratischer. Wäh-
rend dieser beständigen Unruhen im Innern behauptete aber Flo-
renz eine bedeutende politische Stellung nach außen und unterwarf
sich durch vielfache Kämpfe die ganze umliegende Landschaft von der
See bis zu den Apenninen. Als das Geschlecht der Albizzi durch
Besetzung aller Stellen zu großer Gewalt gelangte, nahm sich der
unermeßlich reiche und kluge Johann von Medici der ärmeren
Bürger an. Sein Sohn Cosmo von Medici wußte die Gerin-
gen durch Milde und Wohlwollen, die Vornehmen durch freundli-
ches Entgegenkommen so für sich zu gewinnen, daß er als erster
Bürger die Staatsangelegenheiten leitete, (1428—1464) durch glück-
liche Kriege und durch Beförderung von Künsten und Wissenschaf-
ten Florenz mächtig und blühend machte. Seine Staatsverwal-
tung war eben so glücklich als glänzend, und das dankbare Florenz
ertheilte ihm nach seinem Tode den Beinamen Vater des Vaterlan-
des. Sein Sohn Pietro (1464 —1469) gefährdete das Ansehen
seines Hauses durch strenge Eintreibung der kleinen Darlehen, durch
welche sein Vater viele Bürger von sich abhängig gemacht hatte.
Von seinen beiden Söhnen wurde zwar der eine, Julian, von
Verschwornen ermordet, aber der andere, Lorenzo der Präch-
tige, (1472 —1492), hob durch seine Freigebigkeit den Glanz und
die Macht seiner Familie auf eine solche Höhe, daß seinen Nachkom-
men unter allen Stürmen die Herrschaft über Florenz verblieb.
Florenz richtete sein Augenmerk, da es nicht an der See lag,
besonders auf die Verbesserung der Manufakturen. Pisa aber be-
sorgte die Ausfuhr der florentiner Gewerbserzeugniffe. Um Pisa
ganz zu Grunde zu richten, traten die Genuesen den Florentinern
(1421) für 100,000 Goldgulden den Hafen von Livorno ab, und
nun konnte sich Florenz in Handel und Schifffahrt selbständig ent-
wickeln. Es wurden sogleich Werften, Arsenal und Schiffe gebaut,
und Florenz entfaltete eine staunenswerthe Rührigkeit und Energie,
seine Verbindungen gingen nach allen Küsten des Mittelmeeres, so
wie bis nach den Niederlanden, wohin die Florentiner levantiner
Waaren brachten. Doch konnte der Seehandel von Florenz sich mit
dem von Genua und Venedig nicht messen. Die Hauptstärke von
Florenz blieb die Industrie; in dieser stand es in Italien einzig
und unerreichbar da, und dieser verdankt es seine Reichthümer.
Neben Flandern und Brabant war Toskana während des Mittel-
alters das bedeutendste Industrieland. Schon zu Anfang des 13ten
Jahrhunderts standen seine Seiden- und Wollfabriken in hohem