1854 -
Weimar
: Böhlau
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt: Zeit: Mittelalter
- Geschlecht (WdK): Jungen
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schen, skandinavischen und arabischen Stämme entlehnten Elemente
der Bildung zu einem Ganzen verbunden, welches im 15ten Jahr-
hundert vollendet dastand. Der hohe Wohlstand der Städte und
der Reichthum der Machthaber regten das Bedürfniß eines feineren
Lebensgenusses an; die majestätischen Trümmer hielten die Erinne-
rung an eine große Vergangenheit lebendig und ließen dieselbe nicht
selten unter politischen Stürmen aufbrausen. Das kirchliche Leben
rief Musik und Baukunst, das bürgerliche alles das hervor, was
mit den Gewerben, der Schifffahrt, dem Handel, der Politik und
den diplomatischen Künsten in Verbindung stand. Die Heilkunst
wurde schon im Ilten und 12ten Jahrhundert in Italien, besonders
in Salerno, mit demselben Glück, wie in Montpellier, betrieben.
Das Studium des römischen Rechtes blühte in Bologna. Jrne-
rius oder Werner, Martin Gosias, Bulgarus, Johann
Bosianus Azzo, Accursins und Odofredus sind unter dem
Namen der Glossatoren berühmt und durch ihre Habsucht und
durch ihr Küchenlatein berüchtigt. Später lebten Bartolus und
Baldus, die Juristen der Visconti's. Auch die realen Wissen-
schaften, die zur Schifffahrt und zu den wieder erwachenden Kün-
sten des Lebens nothwendig waren, wurden schon im 12ten und
13ten Jahrhundert lebhaft betrieben. Der blühende, wenn auch
anarchische, Zustand von Italien regte zum Studium des positiven
geistlichen und weltlichen Rechts an und war der Poesie und den
schönen Wissenschaften förderlich. In Bologna, Parma, Pisa, Pa-
dua, Vicenza, Modena wurden die schönen Wissenschaften, welche
man damals Grammatik nannte, unter großem Zulauf gelehrt. Bei
den beständigen Kämpfen der Parteien, in den Städten um die
Herrschaft und in der Kirche darüber, ob die kaiserliche oder die
päpstliche Theologie die echt christliche sei, entstand neben finsterem
Aberglauben eine kühne Freigeisterei. In Dante's Zeit war un-
ter den größten Männern eine Philosophie verbreitet, welche we-
der Gott noch Menschen scheute und die Hölle verachtete.
Die politischen, geographischen, mathematischen Wissenschaften
wurden im 13ten Jahrhundert besonders in Beziehung auf Astrologie,
Schifffahrt, Handel und Landbau getrieben und bereichert. Durch T i-
bonacci wurde das System unserer Zahlziffern und unsere Art,
den Werth der Ziffern durch ihre Stellen zu bezeichnen, die schon
Gerbert von den Arabern angenommen hatte, allgemein herrschend.
Der ganz vergessene Euklid wurde wieder hervorgezogen, übersetzt
und erklärt, und durch das Bedürfniß der italinischen Seefahrer
ging aus der Astrologie des Mittelalters die Astronomie hervor.
Ein großes Interesse erwachte in Italien für die Botanik. Die
Städte suchten eine Ehre darin, große botanische Anstalten zu
haben, und reiche Privatleute und Fürsten gründeten botanische
Gärten.
Im nördlichen Italien war im 12ten Jahrhundert in proven-
zalischer Sprache gedichtet worden und einer dieser provenzalischen
Dichter ist Sordello aus Mantua. Die italienische Volkssprache
wich aber von der Sprache anderer romanischen Länder ab und
zerfiel wieder in viele, einander verwandte Volksdialekte. In Si-