1858 -
Weimar
: Böhlau
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
115
evangelischen Glauben, und durch des Kaisers Uebermacht sah Moritz
des Reiches und damit seine eigene Unabhängigkeit bedroht. So ent-
wickelte sich in Moritz der Gedanke, die Waffen, die er bisher für den
Kaiser geführt hatte, jetzt gegen diesen zu brauchen. Die übernommene
Belagerung Magdeburgs gab ihm Gelegenheit, Truppen unter den Waf-
fen zu haben. Verderblich für das Reich war es, daß Moritz am
5. Oktober 1551 zu Friedewalde mit dem König Heinrich Ii. von
Frankreich einen Vertrag schloß. In diesem gestattete er dem Könige
in seinem und im Namen des jungen Landgrafen Wilhelm von Hessen
die zum Reiche gehörigen Städte Cambrai, Metz, To ul und Ver-
dun in Besitz zu nehmen; dagegen machte sich Heinrich anheischig, die
Fürsten in ihrem Kriege zu unterstützen. Die Belagerung von
Magdeburg zog Moritz absichtlich in die Länge und bewilligte der
Stadt zuletzt eine Capitulation, welche ihr den Worten nach völlige
Unterwerfung auferlegte, der That nach einen sehr guten Frieden ge-
währte. Den Kaiser wußte Moritz so zu täuschen und so sicher ju
machen, daß dieser die an ihn ergangenen Warnungen nicht beachtete.
Zu dein Zutrauen, welches der Kaiser zu der deutschen Treue hegte, kam
bei ihm und seinen Räthen auch die Vorstellung, daß die Deutschen nicht
klug und fein genug wären, um solche Ränke zu spinnen.
Im März 1552 zog Moritz rasch seine Truppen zusammen und
rückte mit ihnen nach Franken vor. Hier stießen hessische Truppen zu
den [einigen, und bald daraus vereinigte sich auch Albrecht von Bran-
denburg-Kulmbach mit ihm. Während sie eiligst nach Obecdeutschland
zogen, verbreiteten sie im ganzen Reiche Manifeste, in denen sie ihr
kühnes Unternehmen zu rechtfertigen suchten. Zu Anfange des April
war Moritz schon in Augsburg. Von da ging er nach Ulm. Der Kaiser
war in einer schlimmen Lage. Seine Truppen hatte er theils nach Ungarn,
theils nach Italien entlassen, und an Gelde fehlte es ihm gänzlich. Auch
war Heinrich Ii. von Frankreich in Lothringen eingefallen und hatte Toul,
Verdun und Metz besetzt. Der Kaiser beauftragte seinen Bruder Ferdi-
nand mit der Unterhandlung. Moritz und Ferdinand verabredeten zu
Linz eine Zusammenkunft zu Passau am 26. Mai. Zu dieser wurden
auch viele andere Reichsfürsten eingeladen. Die Zwischenzeit gedachte
Moritz noch zu benutzen, um den Kaiser in Innsbruck zu überfallen.
Er drang in Tyrol ein, besetzte die ehrenberger Klause und stand nur
noch zwei Tagereisen von Innsbruck, als er durch eine Meuterei in seinem
Heere einen Tag aufgehalten wurde. Als er am 23. Mai in Innsbruck
ankam, fand er den Kaiser nicht mehr. Dieser war am 20. in der Nacht
bei schrecklichem Regenwetter nach Trident zu entflohen. Sein Hofstaat
und sein Bruder waren mitgezogen, der Kaiser wegen seiner Krankheit
in einer Sänfte, die Uebrigen zu Pferde und zu Fuß. Diener mit Fackeln
hatten ihnen durch die engen Pässe in den Gebirgen den Weg erleuch-
ten müssen. Johann Friedrich von Sachsen war der Haft entlassen
worden. In Trident war das Concil beim Ausbruche des Krieges aus-
einander gegangen. Der Kaiser kam nicht dahin, sondern wandte sich
unterwegs nach Villach in Kärnthen.
In Passau kam es nach mannigfachen Unterhandlungen am 2.Au-
gust 1552 zu einem Vertrag. Nach demselben erhielt der Landgraf
Philipp seine Freiheit, mußte aber geloben, die Hallische Capitulation zu
8 *