1858 -
Weimar
: Böhlau
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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und von den Künsten friedlichen Erwerbes keinen Begriff hatten, waren
die Feinde der sich allmälig bereichernden Städte und widersetzten sich
jedem Binnenverkehr, welchen die Städte einrichten wollten. Diese Hin-
dernisse wirkten dahin, daß zunächst die dem Meer nah gelegenen Städte
ihr Augenmerk nach fremden Ländern und fremden Märkten richteten,
wo sich ihrer Handelßthätigkeit ein ergiebiges Feld öffnete. Trotzdem hat
ein innerer Handel bestanden, wenn auch von geringerem Umfang, als
der auswärtige. Die deutschen Städte, welche nach und nach dem Bunde
beitraten, gewährten einander einen freien wechselseitigen Verkehr und
sonstige Erleichterungen. Sie sorgten für Herstellung besserer Straßen,
besonders für Anlage von Kanälen. Der hansische Verkehr drang ge-
wiß so weit in das Innere Deutschlands als die dem Bund angehörigen
Städte lagen, also nach Sachsen und Thüringen, wo Erfurt, Zerbst und
Magdeburg die Handelsplätze bildeten. Nach Polen, Lithauen, Schlesien,
Böhmen und Ungarn gelangte man durch Vermittlung von Frankfurt,
Breslau und Krakau. Köln und die westfälischen Städte herrschten am
Rhein. Mit Oberdeutschland scheint der Verkehr nie bedeutend gewesen
zu sein, indem die dortigen Städte mit .eigner Kraft ihre Handelswege
östlich nach Ungarn, westlich nach den Niederlanden, südlich nach Italien
einschlugen. Der hansische Handel mit deutschen Fabrikaten und deut-
schen Bodenprodukten war dem mit ausländischen Erzeugnissen unterge-
ordnet. Außer groben Tuchen mögen Metallarbeiten, besonders Guß-
sachen zum Absatz in fremde Gegenden gefertigt worden sein. Beträcht-
lich war die Versendung von Bier nach den nordischen Ländern. Von
den Ostseehäfen wurde Getraide ausgeführt. Köln und die andern Hanse-
städte des Niederrheins versendeten Rhein- und Moselweine in die Fremde
ebenso Leinwand aus Westphalen, während die sächsische Leinwand meist
über die nordöstlichen Städte ausgeführt wurde. Auch Färbestoffe wie
Safran und Waid, Handelsgewächse wie Senf und Hopfen, Bergbau-
produkte, westphälische Eisenwaren und die sogenannten Nürnberger Ar-
tikel sind bisweilen von den Hansen auf auswärtige Märkte verführt
worden. Doch wie groß oder gering man auch den inneren Verkehr
annehmen mag, die Handelsherrschaft des Bundes beruhte einzig und
allein auf dem bedeutenden Zwischenhandel zwischen entfernten fremden
Ländern. Die Herrschaft in den nordischen Reichen und die Begünstigungen
im Westen setzten die Hansen in den Besitz eines Verkehrs, welcher ihnen
daselbst ausschließlich zustand. Die See war mehr das Element ihrer
Größe, als das Land. Sie haben den Schiffsbau, wenn auch nicht ver-
vollkommnet, doch thätiger betrieben, als irgend ein andres Volk des
Nordens. Zum Schutz ihres auswärtigen Handelsmonopols hatten sie
sehr zweckentsprechende Statuten. Für die Sicherheit des Seehandels
haben die Hansen die rühmlichsten Anstrengungen gemacht.
Den Untergang des Bundes bewirkten innere und äußere Ur-
sachen. Von Innen waren dem Bunde die Gebrechen seiner Verfassung
nachtheilig. Bei der Eifersucht jeder Stadt auf ihre Freiheit und ihr
eignes Interesse konnte eine unabhängige und energische Centralgewalt sich
nicht ausbilden. Wenn trotz der beinahe anarchischen Verfassung der Bund
zu so außerordentlichen Erfolgen gelangte, so erklärt sich dies einmal da-
durch, daß bisweilen ein besserer, Geist durchbrach und das eintretende
Interesse aller die gemeinschaftlichen Zwecke mit Glück verfolgen ließ,