1858 -
Weimar
: Böhlau
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Zeichnung wurde auf die Platte gebracht; die Stellen, die weiß bleiben
sollten, wurden ausgegraben; die stehengebliebenen Stellen geschwärzt
und abgedruckt. Die zweite Gattung des Bilddrucks ist der Holz-
schnitt. Die Technik ist dieselbe wie bei dem Metallschnitt; nur ist
man wohl erst später zu ihr übergegangen, weil man dem Holz nicht
hinlängliche Dauerhaftigkeit zugetraut hat. Dann aber hat die leichtere
Behandlung des Holzes den Metallschnitt bald und für immer beseitigt.
Der Metall- oder Kupferstich beruht auf der dem Metall- und Holz-
schnitt entgegengesetzten Methode, die in die Platte gemachten Einschnitte
zu schwärzen und abzudrucken. Die Erfindung des Metallschnittß scheint
nicht von einem wirklichen Künstler, sondern von einem Stempelschnei-
der ausgegangen zu sein. Die meisten Bilder dieser Art sind Zweckbilder,
bei denen es dem Verfertiger auf den Gegenstand, nicht auf künstlerische
Darstellung ankam. Dagegen beurkunden die ältesten Kupferstiche wirk-
liche Künstlerhände; der Kupferstecher copirte lange Zeit nicht fremde
Werke, sondern nur seine eigenen Zeichnungen. Die ältesten Metall-
und Holzschnitte weisen auf Deutschland als das Vaterland der Erfindung
hin, und zwar scheinen die Anfänge gleichzeitig an mehreren Orten ge-
macht worden zu sein, in Ulm, Augsburg, in dem Benedictinerkloster
Tegernsee, in Köln, im ersten Jahrzehent des fünfzehnten Jahrhunderts.
Gegen das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts wurde der Holzschnitt
zu größerer Vollkommenheit ausgebildet, besonders durch Albrecht
Dürer und Hans Holbein.
Die Kupferstecheckunst scheint in den Niederlanden erfunden worden
zu sein. Von den Niederlanden hat sie sich auf demselben Wege wie die
iriederländische Malerei nach dem Niederrhein, von da nach Oberdeutsch-
land, nach Schwaben und dem Oberrhein, nach Franken, Baiern und
Oestreich verbreitet. Während aber die Malerei auf diesem Wege an ur-
sprünglicher Kraft und Fähigkeit verlor, hat die Kunst des Kupferstechens
mit jedem Schritte, den sie nach Süden vorwärts that, an Vollkommen-
heit gewonnen, am meisten in Colmar durch Martin Schongauer
und in Nürnberg durch Albrecht Dürer. In der zweiten Hälfte des
sechzehnten Jahrhunderts führte die Werthschätzung technischer Fertigkeit
die Kupferstecherkunst zu einer einseitigen Ausbildung; sie trennte sich
von der Malerei und bildete sich zu einer selbständigen Kunst aus. Zur
Führung des Grabstichels gehörte nun ein besonderes Talent und Studium
und dadurch wurde den Malern, die sich bisher zur Vervielfältigung ihrer
Werke auch auf das Kupferstechen gelegt hatten, der Grabstichel aus der
Hand gewunden. Dagegen bedienten sie sich der von Albrecht Dürer
erfundenen Kunst des Radirens, durch welche die mit der Nadel auf
eine mit Deckfirniß überzogene Kupferplatte eingeritzte Zeichnung mittelst
Scheidewasser eingeätzt wird, und bildeten dieselbe zu einer großen Voll-
kommenheit aus.