1858 -
Weimar
: Böhlau
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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förmlich besannt zu machen, und stellte so nachdrücklich den Schaden
vor, der dem Lande daraus erwachsen könnte, daß der Kaiser wenigstens
den Namen der Inquisitoren aus der Verordnung streichen ließ.
Trotz dieser Gründe zum Mißvergnügen bestand doch zwischen
Karl V. und seinen niederländischen Unterthanen ein sehr gutes Verhält-
niß. Er war unter ihnen geboren; ec sprach niederländisch als Mutter-
sprache; er liebte das Volk und dessen Sitten und gab sich bei den
Festlichkeiten der Städter gern und gefällig den oft derben Bezeugungen
ihrer Freude hin. Er war stets Freund und Gönner der großen Herrn
des Landes, er verkehrte mit ihnen wie der Erste unter Gleichen; er zog
die Niederländer überall vor und vertraute ihnen die wichtigsten Stellen.
Ganz anders als Karl verfuhr sein Sohn Philipp, welchem 1555
die Regierung der Niederlande übergeben wurde. Philipps Stolz, seine
steife Förmlichkeit, seine Unzugänglichkeit schreckte die Niederländer zurück.
Von seinem despotischen Sinne glaubten sie alles für ihre Verfassung
fürchten zu müssen, und besonders fühlte sich der Adel verletzt, weil
mehrere der bedeutendsten Stellen mit Spaniern besetzt wurden. Hatte
schon Karl blutige Verfolgungen der Ketzer angeordnet, so ging Philipp
in seiner Unduldsamkeit noch ungleich weiter, da er die Ausrottung der
Ketzerei für eine heilige Pflicht hielt. Mit Bestürzung sah das Volk die
Glaubensgerichte der spanischen Inquisition immer ähnlicher werden. Als
Beweis der Ketzerei genügte die Anschuldigung von zwei Zeugen oder
eines Jnquisitionsrichters. Der Leugnende mußte die Qualen der Folter
erdulden. Mit kirchlicher Pracht wurde das Auto da Fe gehalten.
Singende Schüler eröffneten den Zug; Büßende, welche nur eine§ leich-
ten Vergehens gegen die römische Kirche angeklagt waren, schlossen sich
ihnen an. Dann folgten die für den Scheiterhaufen bestimmten Unglück-
lichen. jeder von zwei betenden Mönchen begleitet. Der Adel der Um-
gegend, die königlichen Beamten, die Geistlichkeit, endlich die Richter
mit der Blutfahne beschlossen den Zug. Bei allen Klassen des Volkes
steigerte sich der Haß gegen diese Glaubensgerichte, ihn theilten die Ka-
tholiken mit den Anhängern von Luther und Calvin.
Als sich Philipp Ii. 1559 von den Niederlanden nach Spanien
begab, ließ er 4000 Spanier zurück, welche mit spanischer Willkür
Bürger und Landmann drückten. Die Statthalterschaft der Niederlande
übergab er seiner Halbschwester Margareta, Herzogin von Parma.
Margareta war der katholischen Religion streng zugethan, sie besaß einen
kräftigen, männlichen Geist, kannte die Denkart und Sitten der Nieder-
länder und zeigte sich gewandt in Geschäften. Unweiblich erschien an
ihr ein Knebelbärtchen und die leidenschaftliche Liebe zur Jagd. Den
einzelnen Provinzen standen Statthalter vor. Ueber Holland, Seeland
und Utrecht war Wilhelm von Nassau-Oranien gesetzt, geboren
1533 in Dillenburg, Sohn eines evangelischen Vaters, in Brabant,
Holland und Geldern reich begütert. Schon als Kind gefiel er Karl V.
so, daß dieser ihn unter seine Edelknaben aufnahm und katholisch erzie-
hen ließ. Als junger Mann besaß Wilhelm die Gunst und das Ver-
trauen des Kaisers. Karl gestand, daß er dem Jüngling manchen treff-
lichen Rath verdanke; auch auf Wilhelms Kriegstalent vertraute er und
machte ihn zum Oberbefehlshaber des niederländischen Heeres. Was
Karl V. an Wilhelm geschätzt hatte, Ruhe, Schweigen, Rastlosigkeit deß