1858 -
Weimar
: Böhlau
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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in voller Kraft erhalten wolle, und wurde in der Grafschaft Suffolk als
als die rechtmäßige Herrscherin anerkannt. Der Adel strömte ihr zu, die
Heerführer huldigten ihr, und in kurzem stand sie an der Spitze einer
bedeutenden Macht. Northumberland brachte in Eile etwa 6000 Mann
zusammen und zog Maria entgegen. Kaum hatte er aber London ver-
lassen, als der Staatsrath, der Adel und die Bürger von London Ma-
ria als Königin anerkannten. Johann Gray kehrte zu ihren Eltern zu-
rück. Northumberland mußte sich ergeben und starb auf dem Blutgerüste.
Trotz der gegebenen Zusicherung war Maria entschloffen den Katho-
licismus in England wieder herzustellen. Die katholischen
Bischöfe, die von der vorigen Regierung her in den Gefängniffen saßen,
wurden wieder in ihre Stellen eingesetzt. Das Parlament hob die Reli-
gionsgesetze Eduards Vi. wieder auf. Zwei der päpstlichen Religion
eifrig ergebene Bischöfe, Gardiner und Bonner waren Rathgeber
der Königin. Daß Volk war sehr unzufrieden, und es brach ein Auf-
stand aus. Dieser wurde von den königlichen Truppen unterdrückt und
viele mußten das verunglückte Unternehmen mit dem Leben büßen. Auch
der Herzog von Suffolk, der Vater der Johanna Gray, diese selbst und
deren Gemahl wurden hingerichtet. Auch die Prinzessin Elisabet wurde
beschuldigt, um die Verschwörung gewußt zu haben, und in den Tower
gebracht. Man konnte jedoch keine genügenden Beweise für ihre Schuld
aufbringen; sie wurde aus der Haft entlassen und auf einem Landsitze
streng bewacht.
Um die Hand Maria's warb für den Jnfanten Philipp Karl V.
Die V e rmählung wurde 1554 vollzogen und erregte in England große
Erbitterung. Um die Besorgniffe und den Unwillen der Engländer zu
beschwichtigen, wurde in dem Ehevertrage festgesetzt, daß Philipp zwar
den Titel eines Königs von England führen, die Regierung aber der
Königin ganz überlasten bleiben, kein Spanier zu Hof- und Staats-
ämtern gelangen solle. Doch wurde das englische Volk durch diese Zu-
sicherungen nicht beruhigt. Philipp, der sich kalt, abgemessen und zurück-
haltend benahm, vermochte bei seiner Anwesenheit in England nicht die
Herzen der Engländer für sich zu gewinnen. Maria hatte eine traurige
Jugend verlebt; sie fühlte, daß die Natur sie mit keinen Reizen ausge-
stattet habe; sie war elf Jahre älter als Philipp; sie suchte deßhalb den
von ihr heiß geliebten Gemahl durch Befriedigung seines Ehrgeizes an
sich zu ketten. Auf ihren Betrieb erfolgte 1554 die Aussöhnung
und Wiedervereinigung Englands mit dem römischen Stuhle.
Nun begann die blutige Verfolgung der Nichtkatholischen. In
den nächsten drei Jahren starben gegen 300 Protestanten auf dem Schei-
terhaufen. Eine Menge Kirchendiener wurden verbrannt, neue Folter-
qualen sinnreich erfunden. Aber kein Märtyrer wurde verbrannt, der
nicht viele zu seinem Glauben bekehrte. Schwache Frauen scheuten den
Tod für den Glauben nicht. Mit der Standhaftigkeit der Märtyrer stieg die
Wuth ihrer Verfolger. Bonner, der Bischof von London, machtesich sogar
ein Vergnügen daraus, die Ketzer eigenhändig zu geißeln. Cranmer, der
Hauptbeförderer der Reformation unter der vorigen Regierung, saß drei
Jahre gefangen und ließ sich durch trügerische Hoffnung zur Abschwörung
seines Glaubens bewegen. Dann aber hieß es, ein solcher Erzketzer, der
ganz England angesteckt habe, dürfe dem Feuertode nicht entgehen. Auf