1858 -
Weimar
: Böhlau
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Die Bischöfe, welche der Wahl Christians widerstrebt hatten, galten
als die Urheber aller dieser Leiden. Von dem Reichstage wurden sie
jetzt gezwungen, auf ihre Würde zu verzichten, und ihre Güter wurden
zur Tilgung der Staatsschuld und zur Erhaltung evangelischer Schulen
und Kirchendiener verwandt. Der Adel erhielt die Bestätigung seiner
großen, die königliche Gewalt beschränkenden Vorrechte. Der nach Däne-
mark berufene Freund Luthers, Johann Bugenhagen, entwarf eine
neue Kirchenordnung. Die Reformation wurde nun auch in Norwegen
und etwas später in Island eingeführt. Die königliche Gewalt wurde
unter den folgenden Königen Friedrich Ii. und Christian Iv. durch
den Adel noch mehr beschränkt.
Der Handel der Hansa sank immer mehr, die Eingebornen fingen
an sich selbst in Handelsgeschäften zu versuchen, und die Ankunft engli-
scher und holländischer Schiffe eröffnete eine freiere Konkurrenz. Ein
großes Hinderniß für die volkswirthschaftliche Ausbildung des Landes lag
in seiner feudal-aristokratischen Verfassung. Der Adel beengte ebenso die
monarchische Gewalt, als er den Bürger- und besonders den Bauernstand
niederdrückte und jeder politischen Vertretung beraubte. Der Zustand des
letzteren war in Dänemark vollkommne Leibeigenschaft, in Norwegen da-
gegen glückte es ihm, sich von derselben frei zu halten. Bei solchen
Zuständen war es mit dem Hauptnahrungßzweig des Landes, dem Acker-
bau, schlecht bestellt. Nur die deutschen Provinzen Schleswig und Hol-
stein, allenfalls auch Jütland, waren ergiebig an Korn, die dänischen
Inseln sowie Norwegen erzeugten nicht genug zu ihrem Bedarf. Bester
als mit dem Ackerbau stand es mit der Viehzucht.
Für den Handel gewährte Norwegen eine mannigfaltigere und reichere
Ausbeute an Bodenprodukten. Des Pelzes wegen verlohnte sich die Jagd
auf Biber und Elennthiere. Norwegische Butter war gesucht, und die
Fischerei bedeutend, seit der Häring sich in die Nordsee gezogen hatte.
Herrliche Tannen- und Fichtenwälder lieferten Holz zur Ausfuhr für
den zunehmenden Schiffsbau in England und Holland. Der Bergbau
erweiterte sich, Christian Iii. rief deutsche Bergleute ins Land. Nor-
wegen hat von der Natur alle Bedingungen zum Schiffsbau und See-
gewerbe. Nachdem das hansische Joch gebrochen war, machte der na.
türliche Beruf sich allmälig geltend. Die dänische Regierung fing an zu
erkennen, daß einem Jnsellande wie Dänemark zur Erlangung kommer-
zieller Unabhängigkeit wie zur Behauptung seiner politischen Selbständigkeit
eine Seemacht nöthig sei. Die dänische Rhederei fing an sich zu rühren.
Es wurden einzelne Kauffahrteischiffe auf weite Fahrt ausgerüstet, Gesell-
schaften für den nordischen und 1616 für den indischen Handel begrün-
det. Die Regierung suchte dem Handwerkerstande aufzuhelfen. Eine
Seidenfabrik und 1624 eine Navigationsschule wurden in Kopenhagen
angelegt. Es wurden nicht wenige Stiftungen für Kirche, Unterricht
und Erziehung gemacht; ein Waisenhaus wurde zu Kopenhagen, ein
Gymnasium zu Odense, eine Ritterakademie zu Soröe gegründet. Manche
gute Einrichtung Christians Iv. fand bei dem Volke nicht den rechten
Anklang, aber im Kirchenthum und Seewesen begegneten sich Regierung
und Volk. Aufrichtige, stille Gläubigkeit und Lust und Geschick zu See-
fahrten sind die Grundzüge des dänischen Volksthums jener Zeit. Dem
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Zustande des
äußeren und
des geistigen
Lebens.